Kriminalisierung des Widerstands gegen Stuttgart 21 bis heute
Stuttgart, 30. September 2012: Unter dem Titel „gedenken – mahnen – achten“ fand heute bei regem Publikumszuspruch der Gedenktag zum 30.9. als letzter und zentraler Teil der Veranstaltungsreihe dieses Wochenendes statt. Während der über 7-stündigen Veranstaltung waren insgesamt geschätzte 8.000 Teilnehmer (bis zu 1.200 gleichzeitig) anwesend und gedachten bei einem dichten Programm mit hochkarätigen Rednern und Musikgruppen der Ereignisse des „Schwarzen Donnerstags“ und seiner bis heute andauernden Folgen. An der für das leibliche Wohl zuständigen „Mitmachküche“ wurden nicht weniger als 1.500 Essen ausgegeben.
Kritisch beleuchtet wurde in den Beiträgen der rechtswidrige Einsatz vom 30.9.2012, aber auch der politische und juristische Umgang mit den Ereignissen und ihren Folgen unter der neuen Landesregierung bis heute. Besondere Beachtung fanden die Kommentare von Thomas Wüppesal, dem Bundessprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft Kritischer PolizistInnen, und Dieter Reicherter, Strafrichter a.D.
Wüppesahl sieht den Polizeieinsatz vor zwei Jahren als „rechtswidrig und geprägt durch serielle Unrechtshandlungen“. Aber auch heute zeige die Polizei bei der Aufarbeitung der Ereignisse in ihren Aussagen vor Gericht nicht selten ein „taktisches Verhältnis zur Wahrheit“, sie solle endlich „zur Wahrheit bei der Aufarbeitung zurückkehren“. Baden-Württemberg sieht er in puncto Polizeieinsätzen neben Bayern im Gegensatz zu den anderen Bundesländern nach wie vor als „eine Art Sonderrechtszone“ an.
Reicherter weist ernüchtert darauf hin, dass die Ermittlungen gegen Beamten wegen Fehlverhaltens in der Folge des 30.9. „weitgehend eingestellt“ worden seien. Er fordert „nicht nur Aufklärung und Bestrafung der Verantwortlichen, sondern auch eine ausdrückliche Entschuldigung der Verantwortlichen“.
Und Christine Starzmann, Mitorganisatorin des Aktionstags, fordert, dass die im Koalitionsvertrag festgelegte Kennzeichnungspflicht für Polizisten endlich von der Landesregierung umgesetzt wird, und resümiert zum 30.9.: „Wir vergessen nicht und wir geben keine Ruhe, bis alles aufgeklärt ist und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen wurden. Mit unserer Gedenkfeier wollen wir ein deutliches Zeichen setzen: die Protestbewegung gegen das stadtzerstörende Projekt Stuttgart 21 lässt sich durch Gewalt, polizeiliche Übermacht und Kriminalisierung weder einschüchtern noch mundtot machen.“