Morgen am Freitag, den 21.09.12, findet um 9 Uhr die Verhandlung gegen zwei von 2000 Parkbesetzerinnen und Parkbesetzer vor dem Amtsgericht (Hauffstr. 5. Raum 1) statt. Es ist die 17. Verhandlung in der Prozessserie. Den Beschuldigten wird zur Last gelegt, sich am 15. Februar nicht unverzüglich aus einer aufgelösten Versammlung entfernt zu haben. Am 15. Februar waren an die 2000 Menschen im Mittleren Schlossgarten anwesend, um sich gewaltfrei gegen die Zerstörung des Schlossgartens zu wehren. In den Polizeiakten wird von 86 Störern gesprochen.
Am 14. Juni 2012 haben sich an die 200 Bürgerinnen und Bürger beim Amt für öffentliche Ordnung selbst angezeigt:
"Anlässlich der Bußgeldbescheide gegen willkürlich ausgewählte Parkbesetzer zeige ich mich hiermit selber an. Wir haben alle gemeinsam am 14./15.02.12 versucht, den Mittleren Schlossgarten mit seiner Flora und Fauna nach Kräften zu schützen."
Die Stadt Stuttgart hat die Verfolgung der Selbstanzeigen eingestellt. Diese Einstellung zeigt, dass die Stadt Stuttgart ihre Allgemeinverfügung in Frage stellt. Doch vor dem Amtsgericht wird bisher munter weiter verurteilt.
Bis heute ist die Rechtmäßigkeit der Allgemeinverfügung der Stadt nicht vollends geklärt. Schon bei der ersten Verhandlung am 19.06.12 konnte der Polizei schlampige Arbeit nachgewiesen werden, und es wurde offenbar, dass die Auflagen des Verwaltungsgerichts bei der Umsetzung der Allgemeinverfügung missachtet wurden. Z. Bsp. gab es die Auflage, dass ein Vertreter der Stadt bei Inkrafttreten der Allgemeinverfügung vor Ort sein muss. Doch es war kein Vertreter in der Nacht vom 14. auf den 15. Februar im Mittleren Schlossgarten anwesend.
Bei den Verhandlungen steht das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit zur Disposition. Mit solchen Allgemeinverfügungen, wie auch in Frankfurt, wird bundesweit dieses Grundrecht massiv beschnitten, um Protest zu unterdrücken und zu kriminalisieren.
Ich finde es gut, dass sich soviele bereiterklärt haben, sich für ihre Teilnahme an einer unerwünschten Versammlung selbst „anzuzeigen“. Wenn man diesen Mut nicht „Sand im Getriebe“ nennt sondern einfach das Bekennen des friedlichen Ungehorsams gegenüber einer Durchregier-Gesellschaft, dann klingelt es im Rechtsstaat. Dann sind unsere staatlich bestellten Juristen zum Nachdenken gezwungen und die Anzeigen-gesteuerten Medien schämen sich dafür, dass sie diese Tatsache nicht veröffentlichen dürfen. So werden wir uns angewöhnen, unsere Informationen durch BAA zu ergänzen.
Wir lesen also, dass dieser Rechtsstaat gleiches Recht, oder wie man’s nimmt gleiches Unrecht, nicht mehr umsetzen will. Da ist also etwas faul, wenn man nicht mehr konsequent sein will.
Es stellt sich auch die Frage, ob der Akt des Inkraftsetzens einer „Allgemeinverfügung“ dazu führen darf und soll, dass eine andauernde Demonstration nicht nur aufgelöst , sondern der Verbleib darin auch noch sanktioniert wird.
In Frankfurt hat die Stadt zwar im Zusammenhang mit der Räumung des Occupy-Camps auch zu diesem Mittel gegriffen, von Anzeigen aber weitgehend abgesehen.
Das kam auf politischen Druck zustande. Warum geht ähnliches nicht auch in Stuttgart ? Sollte sich die Diskussion -auch gegenüber dem Gericht- nicht verstärkt um das (Nicht)Verhalten von Bürgermeisterei und Stadtparlament drehen ? Was ist der Stadt bürgerschaftliches Engagement (ausser 100 Euro Bussgeld) wert ?