Bericht vom "Frühstück am Bauzaun": Erika H.; einleitender Kommentar: Petra B.
Wer den folgenden Bericht vom letzten Dienstag, 31. Juli, vom Frühstück am Bauzaun liest, wird sich fragen, ob das Vorgehen von Polizeikräften bei einer Protestaktion der K21-Bewegung immer so unprofessionell ist. Als Antwort stellen wir deshalb einen Kommentar an den Anfang.
"Unprofessionell? Nicht immer. Ich rede hier nicht vom 30.9. oder anderen Großereignissen, sondern speziell vom dienstäglichen "Frühstück am Bauzaun". In den letzten zwei Jahren gab es meistens ein der Situation angemessenes polizeiliches Verhalten bei Protestkundgebungen am GWM, Nord- und Südflügel. Doch entstand in den letzten Wochen verstärkt der Eindruck, dass die zeitliche Dauer des K21-Widerstands an den Nerven der Polizei zehrt. Einsatzleiter und Einsatzkräfte möchten die Menschen, die ihr Recht auf Versammlungsfreiheit, Demonstration und freie Meinungsäußerung an den S21-Baustellen wahrnehmen, einfach nur ... weghaben. Nach dem Motto: "Was wollt ihr hier noch? Es ist doch abgestimmt, die Bahn hat Baurecht, protestiert woanders." Doch es ist nicht die Aufgabe von Polizisten, den Protestierenden zu sagen, was sie zu denken haben. Es ist ihre Aufgabe, das Demonstrationsrecht und das Recht auf freie Meinungsäußerung zu schützen und Versammlungsfreiheit zu ermöglichen. Die Polizei ist der Handlanger des Grundgesetzes und nicht der Bahn AG. Die Polizeikräfte, die jeden Dienstag dazukommen, wenn beim "Frühstück am Bauzaun" protestiert wird, sehen die Ansammlung der Bürger jedoch nur unter dem Aspekt von Ordnungswidrigkeiten bezüglich "Eingriff in den Straßenverkehr" oder "Nötigung" (wenn bei der Kundgebung mehr als ein LKW an der Einfahrt gehindert wird). Die Demonstranten erleben hierbei zunehmend Akte der Willkür. An einigen Beispielen während der Protestkundgebung am letzten Dienstag soll das aufgezeigt werden.
- Das polizeiliche Filmen von Demonstranten ist nur prophylaktisch erlaubt, wenn eine Straftat zu erwarten ist. Dies ist jedoch beim dienstäglichen Frühstück am Bauzaun nicht der Fall. Wenn Demonstranten schon beim Verteilen von Flugblättern gefilmt werden, so ist das polizeilicher Übereifer, vorauseilender Gehorsam und ein Mittel der Einschüchterung.
- Nach dem Fraport-Urteil vom Februar 2011 (betreffend Art. 5 und 8 des GG) können Flyer auf öffentlichem Gelände (wozu Flughäfen sowie Bahnhöfe gehören) verteilt werden. Obwohl sich die Demonstranten am letzten Dienstag auf dieses Urteil bezogen und am Bahnhof die Flyer "Stromfresser abschalten" verteilten, wurden ihnen diese abgenommen bzw. entrissen.
- Eine sehr fragwürdige Aktion leistete sich die Polizei wenig später. Als sich einige Demonstranten vor ein anfahrendes Baufahrzeug (LKW) gestellt hatten, wies die Polizei einen Vertreter des Sicherheitspersonals an, dem ausgestiegenen Fahrer eines Kleinlasters zu sagen, er möge doch mit seinem abseits abgestellten Fahrzeug direkt hinter den LKW fahren, was er auch tat. Somit hätte die Polizei Anzeige wegen Nötigung erstatten können (da nun zwei Fahrzeuge behindert wurden), wenn die Demonstranten nicht weggegangen wären. Dieses polizeiliche Verhalten ist äußerst kritisch zu sehen, denn der Fahrer des Kleinlasters wurde aufgefordert, eine Nötigung zu provozieren. Ob ihm bewusst war, dass er dazu von der Polizei benutzt wurde? Die Demonstranten zumindest durchblickten die Inszenierung (Provozieren einer Straftat) und begaben sich zur Seite. Dass ihre Personalien dennoch aufgenommen wurden, zeigte die Nervosität der Polizei.
Abschließend zu diesem Kommentar ist zu sagen, dass es der Polizei gut anstehen würde, ab und zu mal einen Schritt zurück zu gehen und zu überlegen, was hier eigentlich passiert (das tun wir nämlich auch!). Sie sollte sich darüber im Klaren sein, dass die Bürger, die sich am Dienstagmorgen zum "Frühstück am Bauzaun" treffen, das nicht tun, weil sie morgens um 6:30 Uhr nichts Besseres zu tun haben, sondern weil sie sich mit vielen Sachargumenten gegen ein Unrechtsprojekt stemmen und zwar auf der Grundlage ihrer Rechte auf Versammlungsfreiheit und Meinungsfreiheit (GG 5 und 8). Falls diese Rechte vom Amt für öffentliche Ordnung in Stuttgart mit einschlägigen Verordnungen - die dann zu Ordnungswidrigkeiten mutieren - so sehr verdreht und eingeschränkt werden, dass Bußgeldbescheide en masse ausgesprochen werden, sollte man - und dazu gehört auch die Polizei - sich mal fragen, was das Grundgesetz in Stuttgart wert ist. Fragen wird man ja noch dürfen, das ist noch keine Ordnungswidrigkeit."
Hier der Bericht:
"Pünktlich um 6:30 Uhr positionierten sich etwa 20 Menschen mit ihrem Banner "Baustopp selber machen - wir wi(e)dersetzen uns" an der Zufahrt zur Baustelle am ehemaligen Nordflügel. Zu diesem Zeitpunkt wurden wir bereits von Polizisten aus zwei Fahrzeugen. Gleichzeitig verteilten zwei Protestierer aus unserer Gruppe die Flyer "Stromfresser abschalten" an vorübergehende Passanten. Etwa 20 Minuten später verließen sieben Polizeibeamten ihre beiden Fahrzeuge und begannen, uns ohne ersichtlichen Grund zu filmen. Der Einsatzleiter und ein Begleiter gingen auf die Flyer verteilende Demonstrantin zu und forderten sie auf, das Verteilen unverzüglich einzustellen mit der Begründung, dafür bedürfe es einer Sondernutzungserlaubnis. Als der Aufforderung nicht Folge geleistet wurde, wurden die Personalien der Demonstrantin aufgenommen und sie erhielt einen Platzverweis.
Um 7:05 Uhr erschien der erste orangefarbene Muldenkipper der Firma Fischer, der von der Gruppe an der Zufahrt zur Baustelle behindert wurde. Nur wenige Minuten später näherte sich ein Kleinlaster der Firma Keller Bau der Baustelle, schwenkte jedoch auf den Halteplatz nahe des Bauzauns ein und parkte dort. Einige von uns, die sich vor den Muldenkipper gestellt bzw. gesetzt hatten, wurden von der Polizei aufgefordert, zwecks Personalienaufnahme mitzukommen. Sie erhielten eine Anzeige (Ordnungswidrigkeit) wegen Behinderung des Straßenverkehrs sowie einen Platzverweis.
Die Polizei ging dann noch einen Schritt weiter, um eine Nötigung (Blockade von mindestens zwei Fahrzeugen) zu bewirken. Über einen Mitarbeiter des Sicherheitspersonals ließ sie dem Fahrer des bereits geparkten Kleinlasters ausrichten, sich unmittelbar hinter den Muldenkipper zu stellen. Dieser kam dem "Tipp" der Polizei nach und fuhr sein Fahrzeug vorsätzlich hinter den LKW. Daraufhin begaben sich die Protestierenden auf den Bürgersteig. Dennoch wurden von weiteren Personen die Personalien aufgenommen und sie erhielten einen Platzverweis, ebenso wie eine Demonstrantin, die sich vor den Kleinlaster mit einem Plakat "Hier pfuscht die Deutsche Bahn" gestellt hatte.
Insgesamt wurden heute Morgen innerhalb kürzester Zeit neun Ordnungswidrigkeiten wegen Behinderung des Straßenverkehrs erteilt, eine Demonstrantin erhielt sogar zwei Ordnungswidrigkeiten innerhalb weniger Minuten: Wegen nicht statthaften Verteilens von Flyern sowie Behinderung des Straßenverkehrs.
Gegen 7:30 Uhr liefen die meisten von uns zum GWM-Gelände, um die dortigen Bauarbeiten in Augenschein zu nehmen. Auch hier beobachtete uns die Polizei aus zwei Fahrzeugen. Als wir den Bauleiter auf einem beladenen Gabelstapler sitzend an der Ausfahrt behinderten, holte er die Polizei zur Hilfe. Wir wiesen die Polizisten darauf hin, dass ein Gabelstapler beladen nicht auf öffentlichen Straßen fahren darf. Anstatt diesen Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung zu ahnden, sagten die Polizisten, dass die Firmen öffentliche Straßen benutzen müssten, um Material von einer Stelle zur anderen zu bringen. Dagegen wurde uns, die wir den Stapelwagen am Ausfahren behindert hatten, vorgeworfen, wir würden eine Ordnungswidrigkeit begehen. Da die Polizei unsere Personalien bereits vom Nordflügel hatten, verkürzte sich die Prozedur auf das Erteilen von Platzverweisen, diesmal für sämtliche Baustellen, einschließlich dem H 7."
Tja Leute!Mit eurem heutigen Bericht scheint ihr mich reaktiviert zu haben. Das geht ja alles mal überhaupt nicht mehr.Werde nächsten Dienstag am Start sein. Wir sehnt en uns heut Abend..!eute!
Liebe Petra.
Weiter so. Leider ist Euer Baustellen-Frühstück dienstags, sodaß ich zumindest nach meinem Wochenende in Stuttgart nicht teilnehmen kann, da ich ab dem 06. August wieder den Schwabenstreich in Bremen veranstalte.
Aber die Einstellung der Polizei zeigt, daß ihr eine sehr “ unangenehme „Institution geworden seit. Laßt Euch nicht die Butter vom Brot nehmen.