Rede von Dr. Ralf Laternser, Geologe, bei der 121. Montagsdemo am 30.4.2012
Jetzt hat die Zahl der Mo-Demos die Zahl der Risiken von Hany Azer erreicht. Hany Azer hat einst in einem internen Dossier 121 Risiken aufgeführt. Allein 48 Risiken sind mit 1,2 Mill Euro Mehrkosten aufgeführt. Die restlichen 73 Risiken wurden einfach nicht bewertet.
Besonders groß sind die geologischen Risiken bei Stuttgart 21 die ich heute einmal auflisten möchte. Sie sind deshalb so hoch weil bei S21 eine Stadt einem Bahnhof angepasst werden soll - und nicht ein Bahnhof einer Stadt
Die größten geologischen Risiken sind:
1) Eine stark wechselhafter geologischer Untergrund
2)Besonders brüchiger Untergrund (Verwerfungen) und Dolinen in den Gesteinsschichten
3) Vielfach ungeklärte und schwer zu erfassende Grundwasserströme
4)Verschmutzung des Mineralwassers durch die geplante Bautätigkeit
5)Verschmutzung des Mineralwassers durch bestehende Altlasten
6) Rückgang der Mineralwassermenge
7) Unkontrollierter Durchbruch des Mineralwassers aus dem Untergrund
8) Grundwasserstau im Nesenbachtal durch den geplanten, bis neun m über die Oberfläche ragenden Tiefbahnhof quer zum GW-Strom liegend
9) Eine dauerhafte, nicht rückgängig zu machende Veränderung der Grundwasserdruckverhältnisse im Untergrund
10) Anhydritquellungen bei den geplanten Tunnelabschnitten
11) zu dünne Tunnelwände im Vergleich zu bestehenden Tunneln in quellfähigen Schichten
12) Schwierigste Tunnelbauverhältnisse auf der Alb
13) Millionen Tonnen Gesteinsschutt, die abtransportiert werden müssen
14) Setzungen bei privaten und öffentlichen Gebäuden
15) Hangrutschungen am Ameisenberg
16) Die Baugrundverhältnisse am Nesenbachdüker
17) Die Baugrundverhältnisse bei der Untertunnelung des Neckars
18) Die Baugrundverhältnisse bei der Untertunnelung der Daimler-AG in Untertürkheim
19) Die Baugrundverhältnisse im Rosensteinpark
20) Sehr großen Unsicherheiten behafteten Berechnungen des Grundwassermanagements
Das sind die die wichtigsten geologische Risiken - und die auch vermeintlich teuersten insgesamt. Ständige Umplanungen und sehr schleppende bis fehlende Auftragsvergaben für die entsprechenden Bauabschnitte nach nunmehr 15 Jahren bestätigen diese Risiken klar. Wer diese Risiken kleinredet oder gar verschweigt - täuscht die Bürger. Die Kosten, den Lärm und die Gefahr für Gesundheit, Eigentum und die natürlichen Schätze unser Stadt tragen nämlich alleine wir Bürger. Politik der vertrockneten Erde ist heute das Motto. Bei vertrockneter Erde denken viele von uns wohl zwangsläufig an den Schlossgarten und die übrigen Bäume ... und an das deutschlandweit einmalige Mineral- und Heilwasservorkommen
Für mindestens 250 Mio ¤ soll durch ein sog. GWM Grundwasser hin und her gepumpt werden, 3,0 - 6,2 -14 -19 Millonen Kubimeter - die Zahlen haben sich verdoppelt und sind bis heute nicht sicher! Jeder Kubikmeter kostet bis 30 ¤ - jeder weitere auch! (Also bis zu 330 Millionen für nichts Bleibendes!)
Das GWM ist also nicht nur geologisch sondern auch finanziell ein besonders großes Risiko und es besteht nach (15 Jahren noch) wie vor kein genehmigter Antrag für seine Durchführung. Grund hierfür ist die schwierige und sehr wechselhafte Geologie die einen großen Interpretionspielraum der Planer, der bisher mangelhafte, in der Praxis untaugliche Ergebnisse im Bezug auf die tatsächlichen Grundwasserströme - und -mengen geliefert hat.
Bei der Erörterung zum Fildertunnel sagte der geologische Projektleiter der Bahn: "Ob das Grundwassermangement funktioniert wird sich erst im Betrieb zeigen". Ob das System funktioniert ist also nicht klar - das GWM ist ein riesiger riskanter und sündhaft teurer Pilotversuch in unserer Stadt. Ein so komplexes und großräumiges System ist einfach nicht sicher zu erfassen und es bleibt ein unkalkulierbares Risiko.
Ob sich diese das Riskio lohnt für einen um 30 % leistungschwächeren Bahnhof für unzählige Milliarden muss jeder für sich selbst überlegen. Die Genehmigung wurde jedenfalls für einen doppelt so leistungsfähigen Bahnhof erteilt. (Wer kauft sich schon einen kleineren Designerkühlschrank mit weniger Volumen und höherem Energieverbrauch und muss dafür die halbe Küchen abreißen und umbauen?)
Ein fertiger Antrag für das GWM ist nach Jahrzehnten der Vorbereitung im Moment also noch nicht einmal eingereicht. im Moment geht es um die, nach dem VGH Ma, unzulässige Zentraliserung des GWM. Nach der besorgniserregenden Verdoppelung der abzupumpenden Wassermenge ist also immer noch völlig unklar, wie viel jetzt eigentlich abgepumpt werden soll
Nach der zurückgezogenen Verdoppelung der Grundwassermenge kursieren jetzt neue Zahlen von bis zu 18 Millionen Litern. Aber Vorsicht - diese Menge gilt für das gesamte Projektgebiet. (Die Verwirrung hat System!) (Doch wenn das GWM je laufen sollte, würde wohl eh niemand mehr genau schauen woher jetzt genau das Grundwasser kommt.)
Für die Planung, Überprüfung und Genehmigung der Eingriffe in das Heilquellenschutzgebiet sind bis heute die selben Fachleute verantwortlich, die schon die drei Millionen Kubik von 2005 als absolut zuverlässig eingestuft haben. Hierzu ein Zitat aus der StZ von Samstag: "Bei einem Treffen von Vertretern des Amts für Umweltschutz, der DB Projektbau sowie des Umweltministeriums und des Regierungspräsidiums im Rathaus sei nicht über Details des Änderungsantrags gesprochen worden, hieß es. Die Experten haben dem Vernehmen nach die Grundwasserentnahme aber generell als technisch machbar bewertet." D. h.: Ohne die Daten zu kennen, wurde einem unbekannten Modell schon im Voraus die Absolution erteilt!
Die angekündigte Fachaufsicht des Umweltministerium beschränkt sich auf die Aussagen und Gutachten ein und derselben Fachleute.
(Aber ich frage mal - Wer würde schon seine Arbeit von 15 Jahren infrage stellen?)
Wir Geologen haben das Umweltministerium vor den großen Unsicherheiten - und den damit verbunden Risiken für das Mineralwasser gewarnt. Durch die Rücknahme des Wasserechtsantrages und die abermalige rechnerische Optimierung im stillen Kämmerchen durch die DB sehen wir uns bestätigt. Wir sehen nach wie vor eine mögliche Unschärfe in den berechneten Grundwassermengen in der Größenordnung von 50 % (???) Und die Erkundung des Grundwassersystems ist noch lückenhaft - wie aktuelle städtische Programme (MagPlan) zur Altlastenerkundung beweisen, denn das letzte, das 5 Bohrprogramm wurde schon 2004 vor der Planfeststellung abgeschlossen.
Ein funktionierendes Grundwassermanagement zur Sicherung des Stuttgarter Mineralwasservorkommens galt und gilt als die Grundvoraussetzung für die Genehmigung von Stuttgart 21. Die deutlich sichtbaren Schwierigkeiten beim Grundwassermanagement seit mehr als ein Jahrzehnt sollten die verantwortlichen von Stadt und Land alarmieren. Von Sicherheit kann bis heute noch keine Rede sein! Man darf die Sicherheit des Mineralwassers nicht nur der Bahn überlassen.
Stadt und Land müssen dringend eine zeitnahe Aufklärung von der Bahn fordern - eine grundlegend neue Planfestellung wäre die sicherste Lösung um das einmalige Stuttgarter Mineralwasser dauerhaft und nachhaltig vor den kurzfristigen Gewinninteressen der Bahn zu schützen.
"Wenn mann bei einer objektiven Bewertung herausfinden sollte, dass das geplante Grundwassermanagement nicht ausreicht, dann hätten wir eine neue Faktenlage. Für mich wäre die konkrete Gefährdung unseres Mineralwassers ein absolutes K.O.-Kriterium für Stuttgart 21."
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