Rede von Wolfgang Kuebart, Ingenieure22 für den Kopfbahnhof, bei der 120. Montagsdemo.
Wussten Sie schon, was Regionalisierungsmittel sind?
Nahverkehrszüge werden von den Ländern bestellt. Da der Fahrkartenerlös nicht reicht, den Aufwand zu tragen, bezahlen die Länder den Auftragnehmern einen vereinbarten Preis für die bestellten Zug-Kilometer. In Baden-Württemberg werden so etwa 40% des Gesamtaufwandes für den Regionalverkehr als Zuschuss bezahlt.
Das war nicht immer so: Bis zur Bahnreform von 1994/96 glich der Bund das Gesamt-Defizit der Bahn aus. Dafür, dass heute die Länder den Regionalverkehr selbst bezahlen, bekommen sie Geld vom Bund - die Regionalisierungsmittel. Der Bund bekam dafür als Gegenfinanzierung die Einnahmen aus einer Mineralölsteuererhöhung um damals 3 Pf. pro Liter.
Knapp 740 Mio. € hat das Land Baden-Württemberg 2012 zur Verfügung - doch aus dem Verkehrsministerium hört man, dass das Geld nicht reicht. Nur durch „Umschichtungen“ wurde vermieden, dass Züge hätten abbestellt werden müssen. Aber trotz Umschichtungen, der Nahverkehr in den Regionen leidet. Ein Beispiel: ab Dezember 2012 sollte im Dreiländereck eine Zugverbindung zwischen Südbaden und dem Elsass reaktiviert werden: der 'Blaue Wal'. So ist es seit langem geplant, die französische Seite hat alle Vorleistungen erbracht, die Strecke ist bestens ausgebaut, der Bedarf ist groß - aber, so hieß es am Freitag aus unserem Verkehrsministerium, "Für zusätzliche Zugbestellungen stehen keine Mittel zur Verfügung".
Fragt sich, woran das liegt? Die anderen Bundesländer scheinen mit ihren Regionalisierungsmitteln besser auszukommen.
Da fällt ein Schmarotzer auf, der den Badenern und Württembergern im Pelz sitzt: Er heißt, wen wundert's, Stuttgart 21. Insgesamt rund 300 Mio. € Regionalisierungsmittel werden über die Jahre für dieses Tunnelprojekt abgezweigt und direkt in das Projekt bezahlt. Damit schadet S21 dem Bahnverkehr in der Region nachweislich, das Geld fehlt dort.
Es kommt aber noch schlimmer: Für jeden Nahverkehrszug, der im Ländle fährt, zahlt das Land einen viel zu hohen Preis. 2003 schloss die alte CDU-FDP-Regierung einen Verkehrsvertrag mit der Deutschen Bahn ab. Er sollte „den erschwerten Betriebsbedingungen während der Bauzeit“ von S21 „Rechnung tragen“. Mit anderen Worten: Um der Bahn verdeckt S21-Subventionen zukommen zu lassen, bezahlt Baden-Württemberg über 10 Euro pro Zugkilometer und das seit 2003 und noch bis 2016. Zum Vergleich: Schleswig-Holstein hat seinen Nahverkehr unlängst für 6,23 € je Kilometer vergeben. Der VCD hat berechnet, dass Baden-Württemberg so jährlich über 100 Millionen Euro zu viel bezahlt - ein denkbar schlechtes Geschäft auf Kosten der Steuerzahler!
Der VCD fordert die Kündigung des DB-Verkehrsvertrages wegen offensichtlicher Überkompensation. Die Regierung soll günstigere Konditionen aushandeln. Herr Verkehrsminister, Winne Hermann, verhandeln Sie mit der Bahn statt zu lamentieren und den öffentlichen Nahverkehr zu beschneiden!
Quellen:
- Zahl vom MVI: 739,6 Mio., siehe http://www.mvi.baden-wuerttemberg.de/servlet/is/107620/Erlaeuterungen%20SPNV-Finanzierungsloch.pdf?command=downloadContent&filename=Erlaeuterungen%20SPNV-Finanzierungsloch.pdf
- http://www.vcd-blog.de/2012-04-18-fehlverwendung-der-regionalisierungsmittel-stoppen/
- http://www.vcd-blog.de/2012-03-25-kurzungen-im-schienenahverkehr-sind-unnotig/
- http://www.zvw.de/inhalt.waiblingen-wie-stuttgart-21-zum-remsbahn-desaster-fuehrte.cd5cd095-9c68-4d88-a0cb-81ae479c5a90.html
- http://regiotrends.de/de/politisches/index.news.169666.der-blauwal-droht-zu-stranden---stuttgart-21-kannibalisiert-den-nahverkehr.html
- http://www.badische-zeitung.de/muellheim/kein-geld-fuer-den-zug--57236989.html
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