Vier Hauptredner konnten während der Protestkundgebung anlässlich der Tagung des Lenkungskreises ihre Argumente und Standpunkte sehr eindrucksvoll darlegen: Ursel Beck, Hans Heydemann, Prof. Yvonne Doderer und Eisenhart von Loeper. Im Folgenden ist die Rede von Ursel Beck (Blockadegruppe der Parkschützer) zu lesen.
Liebe Widerständler gegen Stuttgart 21,
Was ist dieser Lenkungskreis? Das ist der Kreis von 5 Vertretern der Bahn AG, 3 Vertretern des Landes, einem Vertreter der Stadt Stuttgart und einem Vertreter der Region Stuttgart.Die Bahn hat also hier genauso viele Vertreter wie die staatlichen Stellen, die das Projekt finanzieren.Die Geschäftsordnung legt fest, dass die staatlichen Vertreter mit einer Stimme sprechen müssen und die Bahnvertreter mit einer Stimme. Und weiter heißt es in der Geschäftsordnung: „Die Entscheidungen im Lenkungskreis erfolgen einvernehmlich durch die anwesenden Mitglieder“.
Die Sitzungen des Lenkungskreises sind nicht öffentlich. Und die Mitglieder sind verpflichtet alle Informationen vertraulich zu behandeln.Das heißt, wichtige Entscheidungen für das Land werden nicht im Landtag verhandelt sondern hinter verschlossenen Türen.Die Grünen stellen den Lenkungskreis und seine Geschäftsordnung nicht in Frage. Sie machen dabei mit.Das ist das Gegenteil von der versprochenen Transparenz und Bürgernähe.
Chef des Lenkungskreises ist Bahnchef Grube. Sein Stellvertreter ist Kretschmann. Sie lassen sich heute offensichtlich vertreten. Grube durch den Konzernbevollmächtigen Fricke. MP Kretschmann durch Staatssekretär Ingo Rust von der SPD. Mit dabei sind heute Verkehrsminister Hermann,Finanzbürgermeister Föll und Bahnvorstand Kefer.Der Lenkungskreis tritt laut Geschäftsordnung alle sechs Monate zusammen. Vor der Volksabstimmung hat sich die Bahn nicht daran gehalten. Damals hatten die Grünen gefordert, dass die Wähler die Wahrheit über die Kosten vor der Abstimmung erfahren müssen. Die Bahn hat aber den Lenkungskreis einfach nicht einberufen. Kretschmann und Hermann haben das hingenommen. Sie haben damit bewusst in Kauf genommen, dass die Bahn die wahren Kosten vor der Volksabstimmung verheimlichte.
Nun stellt sich die Frage: Haben wir irgendeine Hoffnung, dass sich Winfried Hermann heute im Lenkungskreis die Bahn vornimmt und volle Aufklärung über die Risiken und die wahren Kosten verlangt?
Wird er den Lenkungskreis nutzen um klar zu machen, dass der Kostendeckel gerissen wird, dass der Bau aufgrund des längst erwiesenen Rückbaus der Schieneninfrastruktur, aufgrund der Probleme auf den Fildern, aufgrund der steigenden Gefahren fürs Mineralwasser gestoppt oder in Frage gestellt werden muss? Wir von der Blockadegruppe der Parkschützer meinen: Nein!
Alle, die hier tagen, sind sich inzwischen einig, dass gebaut werden soll.
MP Kretschmann und Minister Hermann haben sich entschieden. Sie wollen dieses Projekt jetzt umsetzen und verstecken sich hinter dem Schwindel Volksabstimmung. Selbst höhere Kosten werden die Grünen damit verteidigen, dass das Projekt dadurch besser werde. Das deutet sich für die Planungen auf den Fildern bereits an.
Der Lenkungskreis ist für die Bahn das Instrument, immer mehr Geld für das Milliardengrab Tiefbahnhof abzuziehen und nach außen zu rechtfertigen. Die Machbarkeit und Finanzierbarkeit soll zementiert und ein reibungsloser Bauablauf gewährleistet werden. Das müssen wir verhindern.
Unser Motto heute heißt:
"Wir lassen uns nicht in den Abgrund lenken – Sofort Schluss mit der Stadtzerstörung“
Dieser Lenkungskreis lenkt unsere Steuergelder auf die millionenschweren Konten von Banken, Immobilienspekulanten und die Bahn AG um.
Dieses Geld fehlt dort, wo wir es dringend brauchen: bei den Krankenhäusern, Schulen, Kindergärten und im öffentlichen Nahverkehr. Dieser Lenkungskreis lenkt uns bahn- und verkehrstechnisch in den Abgrund. Die lange Liste von Fakten dazu brauchen wir hier nicht wiederholen. Aber S2w1-Gegner stoßen immer wieder auf neue Schweinereien. Die Ingenieure gegen Stuttgart 21 sind bei ihren Recherchen auf bisher unbekannte Unterlagen gestoßen, die deutlich machen: Stuttgart 21 war von Anfang an als Rückbau des Bahnknotens in Stuttgart geplant. Hans Heydemann wird das in einem Redebeitrag selbst erklären.
Der Stresstest ist bekanntlich ein doppelter Betrug. Die Bahn hat ihre eigenen bahntechnischen Regeln missachtet, um irgendwie 49 Züge am Ende zu bekommen. Der Bahnexperte Engelhardt spricht von einem „technisch-wissenschaftlichen Betrug von historischem Ausmaß“.
Ein Chemiestudent ist der Bahn und der Firma SMA auf die Schliche gekommen und hat einen Fehler in der Simulationssoftware entdeckt.Verkehrsminister Winfried Hermann hat angekündigt, dass die Vorwürfe der Manipulation beim Stresstest geprüft werden sollen. Manche S-21-Gegner schöpfen daraus die Hoffnung, dass Winfried Hermann einen Beitrag leistet, das Projekt doch noch in Frage zu stellen.
In seiner Presseerklärung vom 21.03. 2012 macht Hermann aber deutlich, dass das Projekt für ihn nicht mehr zur Disposition steht. Er sagte wörtlich:
„Sollte sich tatsächlich herausstellen, dass die geplante Infrastruktur mangelhaft ist, müssten Verbesserungen veranlasst werden, so lange das noch möglich ist.“Dieses Projekt lässt sich aber nicht verbessern. Es ist uns bleibt völlig zerstörerisch.
Die neue Landesregierung hatte uns nachhaltige, umweltfreundlich Mobilität und einen Ausbau des Nahverkehrs versprochen. Heute können wir in der Stuttgart Zeitung nachlesen, was wir immer gesagt haben: Stuttgart 21 kannibalisiert den Nahverkehr. Weil bis zum Jahr 2019 an die 286 Mio Euro Regionalisierungsmittel für Stuttgart 21 zweckentfremdet werden, droht uns bereits mit dem Winterfahrplan 2012 die Streichung von neun Millionen Zugkilometern im Land. Winfried Hermann zieht daraus nicht die Konsequenz Stuttgart 21 in Frage zu stellen. Er verlangt mehr Geld aus dem Landeshaushalt. Wegen der Schuldenbremse heißt das aber nichts anderes, als dass das Geld woanders gestrichen wird: bei den Schulen, Krankenhäusern und überall dort, wo wir es brauchen. Das akzeptieren wir nicht. Das Geld für den Regionalverkehr muss bei Stuttgart 21 geholt werden.
Deshalb brauchen wir einen sofortigen Baustopp.
Dieser Lenkungskreis lenkt gesellschaftliche Ressourcen, Milliarden unserer Steuern, die Arbeit von Wissenschaftlern, Bahntechnikern, Geologen, Bauarbeiten und Polizisten in Zerstörung und Rückschritt und nicht in Fortschritt. Der Nordflügel des denkmalgeschützten Bonatzbau wurde abgerissen. Der Südflügel ist fast abgerissen. Der Mittlere Schlossgarten wurde zerstört. Am Montag wurde eine Stütze des Bahnsteigdachs am Gleis 16 bei den Abrissarbeiten abgebrochen. Zu dieser Zeit stand ein Regionalexpress auf Gleis 16. Wäre das Dach heruntergebrochen, hätte es ein schlimmes Unglück geben können.Die Bahn will das Gebäude der ehemaligen Bahndirektion aus Kostengründen ganz abzureißen. Das zeigt: die Kulturbarbarei bei der Stadtzerstörung kennt keine Grenzen.
Es ist höchste Zeit diesen Wahnsinn zu stoppen. Und das kann nur unser Widerstand.
Wir müssen aufhören zu denken, dass Argumente und Fakten die andere Seite - und dazu gehört auch der grüne Teil der Landesregierung - überzeugen, dieses Projekt stoppen.
Wir müssen den Baustopp selber machen. Demonstrationen reichen nicht. Wir müssen die Bauarbeiten effektiv blockieren. Es kann doch nicht sein, dass wir es weiter zulassen, dass sich hier unter Ausschluss der Öffentlichkeit ein erlauchter Kreis von Politikern und Managern trifft, um die weitere Zerstörung unserer Stadt und die Veruntreuung unserer Steuergelder zu organisieren.
Vielen Dank.