Offener Brief von Klaus Riedel und Herman Schmid (beide SPD-Mitglieder-gegen-Stuttgart 21) an Minister Nils Schmid
Lieber Nils Schmid,
die Zähne der Baggerschaufeln und der Kettensägen sind schon gebleckt – und ihr, die SPD-Führung, betrachtet dies auch noch als euren Erfolg. Ohne Rücksicht auf die Folgen (auch für unsere Partei) lasst ihr es zu, dass der denkmalgeschützte Südflügel des Stuttgarter Hauptbahnhofes in den nächsten Tagen abgerissen und die uralten, Leben spendenden Parkbäume im Mittleren Schlossgarten abgeholzt werden sollen.
Dieser barbarische Akt einer Stadt- und Naturzerstörung wird den Menschen in Stuttgart und ganz Baden-Württemberg noch lange in Erinnerung bleiben. Und all dies soll geschehen, obwohl das Projekt „Stuttgart 21“ weder zu Ende geplant noch genau finanziert ist.
Die Kulturschande und der Naturfrevel, die ihr mit zu verantworten habt, ist nicht wieder gut zu machen. Die grottenschlechte Bahnhofsgrotte im Tunneltrog kann den bei international renommierten Architekt/innen hochgeschätzten Bonatzbau genau so wenig ersetzen wie neu gepflanzte Architekten-Petersilie die über Jahrhunderte gewachsenen und Lebensräume öffnenden Platanen und Kastanien im Park.
Zwar hat die Volksabstimmung keine Mehrheit für den Ausstieg des Landes aus der Finanzierung von S21 gebracht. Die Mehrheit hat aber auch nicht für ein Projekt gestimmt, das weder überzeugend geplant noch exakt finanziert ist.
In Erinnerung wird leider auch bleiben, dass ihr in vielen Punkten das Volk statt informiert nur irregeführt habt: Das Projekt, das ihr vor der Volksabstimmung noch als „bestgeplant“ und „bestfinanziert“ gerühmt habt, entpuppt sich kurz danach und immer offensichtlicher als fehlgeplant und falschgemünzt.
So erscheint selbst den SPD-Abgeordneten Rainer Arnold und Wolfgang Drexler die Planung der Bahn auf den Fildern nun plötzlich als Murks. Damit haben sie zwar recht, aber warum haben sie das nicht schon viel früher gesagt und alle Einwände gegen diese Planung zuvor nur vom Tisch gewischt? Und warum soll dieser Mangel, den die Bahn zu verantworten hat, jetzt auf Kosten der Steuerzahler behoben und der von der SPD-Führung stets beschworene Kostendeckel von 4,5 Milliarden Euro damit nun doch erhöht werden?
Ihr mögt der Ansicht sein, die Partei stehe beim Projekt S21 hinter euch. Ihr mögt meinen, die Gegner/innen von S21 in der SPD würden alsbald stillhalten, resignieren oder gar wegsterben. Wir aber nehmen dies ganz anders wahr: Wir SPD-Mitglieder gegen S21 sind nach wie vor viele, und wir werden uns auch weiterhin gegen ein Projekt zur Wehr setzen, das nicht nur der Stadt Stuttgart und dem Land Baden-Württemberg, sondern auch unserer Partei schweren Schaden zufügen würde.
Ihr werdet es vielleicht nicht mehr in politischer Verantwortung erleben, dass der Tunnelbahnhof mit all seinen Anbindungen fertig wird. Aber wenn ihr weiter so stur agiert, werdet Ihr es sicher erleben, dass die SPD in Baden-Württemberg, vor allem aber in Stuttgart und seiner Umgebung bald noch wesentlich schlechtere Wahlergebnisse einfahren wird. Und solltet Ihr als Überlebensplan im Lande eine Koalition mit der CDU ins Auge fassen – dann allerdings als noch viel kleinerer Juniorpartner –, so werdet ihr das ohne uns als SPD-Mitglieder tun müssen.
Lieber Nils, Du hast immer wieder versprochen, den Kostendeckel einzuhalten und den Weiterbau von S21 nicht voranzutreiben, solange das gesamte Projekt nicht zweifelsfrei geplant und sicher finanziert ist. Beides aber ist bis heute nicht in Sicht.
Deshalb appellieren wir erneut an Dich als stellvertretender Ministerpräsident, als Wirtschafts- und Finanzminister und als SPD-Landesvorsitzender: Haltet noch einmal inne, stoppt den Abriss des Südflügels und die sinnlose Rodung im Park! Der Protest der Bürgerinnen und Bürger wird anhalten und eines Tages auch nicht mehr zu kontrollieren sein. Im Moment hast Du noch die Macht, die Zerstörung zu stoppen. Wir fordern Dich auf, sie auch zu nutzen.
Mit immer noch sozialdemokratischen Grüßen
Klaus Riedel Hermann Schmid
spd-mitglieder-gegen-s21.de
Quelle: Offener Brief an Nils Schmid zu Südflügel und Parkbäumen