Situationsbericht vom heutigen Morgen von Petra Brixel
Eingedenk der Zunahme von S21-Baustellen ist es nur folgerichtig, dass die schon am Nordflügel geübte und dann am Grundwassermanagement fortgeführte Tradition „Frühstück am Bauzaun“ wieder belebt wird. Dies bedeutet, dass sich S21-GegnerInnen angesichts der Entkernung und des bevorstehenden Abrisses des Südflügels, angesichts der täglich einfahrenden Baufahrzeuge am Grundwassermanagement und der gleichzeitigen Zurückhaltung bzw. Untätigkeit der Landesregierung und Gerichte bei der Klärung vieler offener Fragen bestärkt, ja, geradezu gezwungen sehen, sich dem Zivilen Widerstand zuzuwenden.
Bei Demonstrationen und Blockaden am Bauzaun geben sie deutlich um Ausdruck, dass hier ein Unrecht geschieht. „Das denkmalgeschützte Wahrzeichen der Stadt darf nicht abgerissen werden. Die wichtigsten Teile des Projekts sind nicht planfestgestellt. Der Bahnhof kann mit seiner Schräglage und der mangelnden Barrierefreiheit nicht betriebssicher sein“, so lauteten einige Begründungen von Demonstranten am heutigen Dienstagmorgen.
50 Gegnerinnen und Gegner von S21 hatten sich um 6.00 Uhr am Grundwassermanagement getroffen und stellten sich bei Eintreffen von Baufahrzeugen vor die drei Tore am Südflügel und am GWM. „Wir wollen nicht den Arbeiter an seiner Tätigkeit, die für ihn Broterwerb ist, hindern. Deshalb blockieren wir nicht Menschen, sondern Fahrzeuge mit Arbeitsmaterial“, erklärte eine 65-jährige Rentnerin. So wurden heute alle Arbeiter durch die Tore zu ihren Arbeitsplätzen gelassen, was aber nur schwer zu ertragen war angesichts des dröhnenden Donners, der die Entkernung des Südflügels begleitete. Türen und herausgerissene Bretter wurde aus dem zweiten Stock in den Container geworfen. Weitere Maschinen arbeiteten auf dem Gelände zwischen Zaun und Südflügelmauer. Die Geringschätzung von historisch Gewachsenem war deutlich und schmerzhaft zu erleben.
Bei der heutigen Demonstration und Blockade am Südflügel konnte ein sowohl prominenter als auch höchst kompetenter K21-Befürworter begrüßt werden: der Bahnexperte, Verkehrswissenschaftler und Publizist Winfried Wolf. Er solidarisierte sich mit den Demonstranten und unterwarf sich später auch der polizeilichen Maßnahme. Zuvor war es möglich, mit Winfried Wolf – der immer wieder aus Berlin anreist, um in Stuttgart auf K21-Veranstaltungen zu sprechen - viele brennend aktuelle Fragen zu diskutieren. Da wurden die illegale Baustelle am GWM, die erhöhte Entnahme des Grundwassers, der offene Filderabschnitt und der Kapazitätsabbau erörtert. „Der Kapazitätsabbau ist durch den Stresstest bewiesen. 17 Jahre lang wurde gesagt, es ginge um eine Kapazitätserweiterung, tatsächlich leistet der geplante Bahnhof 30 % weniger und sogar die Hälfte dessen, was ein optimierter Kopfbahnhof bewältigen könnte“, betonte Winfried Wolf.
Als um 7.45 Uhr ein LKW die Baustelle am Südflügel befahren wollte, stellten sich 14 Demonstranten vor das Tor. Dies rief den Einsatz der Polizei hervor, die nach einer Durchsage, die Einfahrt freizugeben, die Protestierenden umstellte. Sie wurden zur Aufnahme von personenrelevanten Daten zu den bereit gestellten Kleinbussen geführt. Es gab Platzverweise, auch für Winfried Wolf, der sich als einer der Empörten am Tor nicht von dem Polizeiaufgebot beeindrucken ließen.
Die Demonstranten warteten, bis für den Letzten die Personenfeststellung beendet war und trafen sich ab 8.30 Uhr in einem Bahnhofs-Bistro zur Diskussion. Angesichts der Tätigkeiten am Südflügel wird es ab sofort täglich Demonstrationen an den Bautoren geben, von denen die am Dienstag mit dem traditionellen Begriff „Frühstück am Bautor“ ab 6.30 Uhr statt findet. Sollte sich in Bezug auf den Park eine andere Situation ergeben, so ist dies dann bei Bei Abriss Aufstand nachzulesen. Ansonsten gilt: Aus Tradition Dienstagsfrühstück am Bauzaun des GWM!