Rede der 108. Montagsdemo

Keine Politik der vertrockneten Erde, Herr Schuster!

1. Redner (Matthias von Herrmann, Parkschützer):
Der Bahn steht das Grundwasser bis zum Hals. In der Planfeststellung ist festgelegt, wieviel Grundwasser die Bahn mit ihrem Grundwassermanagement abpumpen darf: 3 Mrd. Liter. Das würde dem Schlossgarten zwar schon gewaltig schaden, langt aber bei weitem nicht aus, um die Baugrube für den Tunnelbahnhof trocken zu legen. Das ist seit langem bekannt. Letztes Jahr hat es auch die Bahn zugegeben und eine Planänderung auf 6,8 Mrd. Liter beantragt, also mehr als das Doppelte. Genehmigt ist diese Änderung nicht. Doch noch bevor die Sache verhandelt ist, will die Bahn noch weiter erhöhen, von gut acht, vielleicht sogar zehn Mrd. Liter ist inoffiziell die Rede.

Herr Fricke von der Bahn hat auch eingeräumt, wie es zu den enormen Mehrmengen kommt: Die Trennschicht zwischen Grund- und Mineralwasser ist eben doch nicht so dicht, wie immer behauptet wird. Das heißt, wenn man oben Grundwasser abpumpt, drückt von unten jede Menge Mineralwasser nach. Das Mineralwasser steht unter Druck. Normalerweise steigt es trotz undichter Stellen in der Trennschicht nicht auf, weil das Gewicht des Grundwassers von oben dagegen drückt. Pumpt man das Grundwasser von oben weg, wird es von unten durch Mineralwasser ersetzt. Je mehr man oben abpumpt, desto mehr Wasser kommt von unten nach.

Herr Schuster, bevor Sie in Sachen S21 weitere Genehmigungen erteilen, sollten Sie sich daran erinnern, was Sie zum Thema 'Schutz des Mineralwassers' gesagt haben. Wenn Sie und die Ihnen unterstehende untere Wasserbehörde – das Umweltamt der Stadt Stuttgart – jetzt nicht die Notbremse ziehen, dürften Sie als der Bürgermeister in die Geschichte eingehen, der neben dem städtischen Haushalt auch noch die Cannstatter Heilquellen ruiniert hat.

2. Redner (Christoph Reinstadler, Parkschützer):
Soso, die Trennschicht ist nicht ganz dicht. Hier sehe ich eine Parallele zu denjenigen, die uns S21 immer noch als das bestgeplante Projekt aller Zeiten verkaufen wollen: AUCH DIE SIND NICHT GANZ DICHT.

Wirklich überraschen wird diese neuerliche Panne allerdings niemand, erst recht keinen erfahrenen Bahnkunden. Denn der ist gewohnt, im Sommer zu schwitzen, weil die Klimaanlage einmal mehr ausgefallen ist. Und im Winter auf zugigen Bahnsteigen zu warten, weil wieder einmal Züge komplett ausfallen. Es würde mich nicht wundern, wenn die Bahn AG in ihrer selbstzufriedenen Art entgegnet „Im Jahresmittel bieten wir unseren Kunden auf diese Art angenehme 20°“.

Würde ein Architekt ein Einfamilienhaus mit der gleichen Sorgfalt planen wie die Bahn AG S21, dann wäre die Garage im 2. Obergeschoss, der Strom käme aus dem Wasserhahn, und die Haustür wäre im Badezimmer.

1. Redner (Matthias von Herrmann, Parkschützer):
Projektleiter Penn fabulierte unlängst von einem zweiten Grundwassermanagement, als es darum ging, warum der Südflügel gerade jetzt abgerissen werden solle. Kurz drauf ruderte er wieder zurück, das alles sei ja nur eine Idee. Die Pläne für das Grundwassermanagement gleichen einer Wanderdüne: ständig erscheinen neue 'Vorschläge' am Bahn-Horizont, vorläufiger Höhepunkt: ein 'mobiles' Grundwassermanagement an Stelle des Südflügels. Fakt ist: genehmigt ist von all dem nichts!

Die Bahn steckt mit dem Grundwassermanagement regelrecht im Sumpf: Die in der Planfeststellung angenommenen Wassermodelle sind falsch. Unter anderem ist die Trennschicht zwischen Grund- und Mineralwasser eben nicht vollständig dicht und stabil. Das wissen alle, zugeben will die Bahn es nicht – dadurch würde das wahre Ausmaß der Fehlplanung offensichtlich, eine neue Planfeststellung ließe sich nicht mehr vermeiden. Die Taktik der Bahn heißt: 'einfach mal machen, über Plan und Genehmigung reden wir später'. Diese Taktik hat der Bahn nun zumindest für das Grundwassermanagement einen offiziellen, gerichtlich verhängten Baustopp beschert. Doch ohne funktionierendes Grundwassermanagement kann die Bahn keine Baugrube ausheben und ohne Baugrube kein Tunnelbahnhof.

Daraus darf es nur eine Konsequenz geben: Es dürfen nicht ständig neue Fakten geschaffen werden!

2. Redner (Christoph Reinstadler, Parkschützer):
Die Stadt darf nicht noch mehr Schaden nehmen, die Stadt darf nicht erpressbar gemacht werden durch den destruktiven Aktionismus der Bahn.

Für die Stadt, für unseren Gemeinderat und vor allem für Sie, Herr Dr. Schuster, heißt das: Keine weiteren Genehmigungen für die Bahn! Sie müssen darauf bestehen, dass die Bahn wirklich ALLE Fakten auf den Tisch legt! Die Bahn darf die Probleme mit dem Grundwasser und die Risiken für das Mineralwasser nicht weiter verheimlichen und verschleiern.

Wer erst unterschreibt und dann verhandelt, hat schlechte Karten, das sollten auch die Fraktionen im Gemeinderat verstehen. Und nicht noch einmal, wie Samstagnacht geschehen, einen Polizeieinsatz anordnen, bei dem viel Geld verbrannt und eine Baustelle abgesichert wird, deren Legalität zweifelhaft ist.

1. Redner (Matthias von Herrmann, Parkschützer):
Sieben, Acht, vielleicht zehn Milliarden Liter Wasser will die Bahn abpumpen – so viel ist es, weil neben dem Grundwasser auch nachlaufendes Mineralwasser abgepumpt werden soll. Letzteres zieht das nächste Problem und die Größte Gefahr für unser Mineralwasser nach sich: Der Mineralwasserdruck sinkt und damit schwindet der Schutz des Mineralwassers gegen Verunreinigungen von oben.

Die Trennschicht zwischen Grund- und Mineralwasser ist zwar, wie wir wissen, nicht an allen Stellen vollständig dicht und stabil. Der hohe Druck, unter dem das Mineralwasser steht, verhindert jedoch, dass verunreinigtes Wasser von oben ins Mineralwasser gelang. Es herrscht ein Gleichgewicht zwischen dem Mineralwasserdruck von unten und dem Gewicht des Grundwassers von oben. Dieses Gleichgewicht wird gestört, wenn im Baustellenbereich große Mengen Mineralwasser von unten nach oben abfließen und der Mineralwasserdruck dadurch sinkt.

Wenn der Mineralwasserdruck geringer wird, kann Grundwasser und können Verunreinigungen in anderen Bereichen nach unten ins Mineralwasser fließen. In der Nähe der Bahngleise ist das besonders gefährlich: Durch ein Jahrhundert Bahnbetrieb ist der Boden hier mit Altöl und Pestiziden schwer belastet. Das Mineralwasser ist dann all diesen Belastungen schutzlos ausgesetzt, wenn es nicht mehr ausreichend unter Druck steht.

Diese Gefahr sieht inzwischen auch die Bahn: Um den Druckabfall zu kompensieren, will sie Leitungswasser ins Mineralwasser pumpen! Ursprünglich beantragt und genehmigt war die Einleitung von 120 Millionen Litern Leitungswasser als Notfallmaßnahme. Inzwischen hat die Bahn die Einleitung von 700 Millionen Litern Leitungswasser, also das sechsfache, fest eingeplant, auch hier: Tendenz steigend. 10% und mehr des Cannstatter Quellwassers würden so durch Leitungswasser ersetzt. Genehmigt ist diese erhöhte Menge freilich nicht. Und sie darf auch nicht genehmigt werden, Herr Schuster! Eine Quelle, aus der Leitungswasser sprudelt, ist keine Heilquelle mehr!

2. Redner (Christoph Reinstadler, Parkschützer):
Nach Budapest hat Stuttgart das größte Mineralwasservorkommen in Europa.

Bad Cannstatt war im 19. Jahrhundert ein europaweit bekannter und renommierter Kur- und Badeort. Unter den illustren Gästen von damals finden sich viele namhafte Dichter wie Honoré de Balzac, Rainer Maria Rilke, Friedrich Hebbel, Eduard Mörike und Wilhelm Raabe.

Der folgende Text ist ein Zitat von der Website der Stadt Stuttgart, www.stuttgart.de: „Traditionsgemäß sind die Bad Cannstatter und Berger Quellen heute nicht nur ein wasserwirtschaftliches Schutzgut, sondern auch ein herausragendes städtisches Kulturerbe. Daher sollte sorgsam und nachhaltig mit dieser Ressource umgegangen werden. 2002 wurde vom Regierungspräsidium Stuttgart ein Heilquellenschutzgebiet ausgewiesen.“. Zitat Ende.

Wenn Herr Dr. Schuster und seine Stadtverwaltung der Bahn grünes Licht für ihre Pläne gibt, sind diese leeren Worthülsen nicht die Bits und Bytes wert, mittels denen sie durchs Internet transportiert werden!

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