Rede von Hannes Rockenbauch anlässlich der Spontandemo vor dem Neuen Schloss, am Samstag, 14. Januar 2012,
parallel zum Sektempfang von MP Kretschmann mit 800 geladenen Ehrenamtlichen.
„Also, ich will erstmal danke sagen, denn für mich war das ein richtig starkes Zeichen, dass gestern Nacht, vom 12. auf den 13. Januar, so viele Leute so entschlossen bei der Kälte diese Winternacht durchgehalten haben, um den Abriss des Südflügels zu verhindern. Das war einfach unglaublich, genau das Zeichen, das wir auch gebraucht haben. Der Widerstand ist weiter entschlossen, oben zu bleiben, um dieses schwachsinnige Projekt Stuttgart 21 zu verhindern und dazu sind wir auch bereit, zivilen Ungehorsam zu leisten.
Ihr habt jetzt so viele Argumente gehört, dass ich hier keine Rede halten will, sondern ich habe gedacht, ich erzähl euch mal etwas von dem Gespräch, das wir, das Aktionsbündnis, mit dem Ministerpräsidenten hatten. Wir sind ja heute hier am Neuen Schloss - er tagt vor geladenen Gästen, vor 800 ausgewählten Bürgern und Bürgerinnen. Und gestern hat sich etwa die gleiche Menge der Staatsmacht ausgesetzt gesehen und wurde einfach weggeräumt und nicht ernst genommen.
Ein Gespräch, das wir hatten, das war kurz vor Weihnachten, oben in der Villa Reitzenstein. Es hatte gerade geschneit, und man saß da in diesem schönen holzvertäfelten Raum mit dem Marmorkamin. Wir wollten als Aktionsbündnis und von den Initiativen noch mal wissen:
"Herr Kretschmann, was geht noch bei Stuttgart 21?"
Es war ja schon eine spannende Runde. Er hat gemeint:
"Das ist jetzt Dialektik, wir haben wahnsinnig viel erreicht. Wir haben erreicht, dass niemand über Demokratie und über Bauen so weiterreden kann. Da müssen wir was ändern, und da wird sich was ändern. Aber das soll jetzt kein Trostpflaster sein, aber zu der Dialektik gehört auch, dass man in der Demokratie, wenn man verloren hat, sich an das Votum der Mehrheit hält."
Dann haben wir natürlich gesagt: "Ja, aber was ist jetzt mit den ganzen ungeklärten Fakten? Was ist mit dem Vorwurf, dass der Stresstest manipuliert sei? Was ist mit der Mischfinanzierung, die juristisch ja höchst umstritten ist? Was ist generell mit der Frage der Kosten, die keiner abschätzen kann? Was ist mit der Planfeststellung auf den Fildern?" All diese Themen, wo wir sagen, da ist gar nicht klar, ob Stuttgart 21 richtig ist, ob es rechtens ist und ob es funktioniert und finanzierbar ist. Und da hat er klar gesagt:
"Liebe Leute, all diese Argumente haben die Menschen gewusst oder hätten wissen können und haben trotzdem mit NEIN gestimmt. Und es gibt nun mal in der Demokratie kein Gesetz, das verbietet, für einen schlechten Bahnhof zu sein. Und ich als Ministerpräsident werde mich jetzt an dieses demokratische Votum halten."
Und da haben wir gesagt: "Aber Moment mal, Herr Kretschmann, die Volksabstimmung kann doch kein Blankoscheck sein. Die Bahn kann doch jetzt nicht machen, was sie will im Schlossgarten da unten, beim Grundwassermanagement, es ist nicht geklärt. Was ist mit dem Artenschutz? Was ist mit der Planfeststellung oben auf den Fildern? Funktioniert das überhaupt? Was ist mit den Kosten aus dem Stresstest, aus dem Faktencheck? Wer bezahlt denn das?"
"Ja, da sind wir dran, das klären wir dann mit Zeit."
"Aber davor kann man doch keine Fakten schaffen!"
"Ja, wir haben jetzt keine Möglichkeit, das zu verhindern.“
"Wie glauben Sie denn, wie man das dem Wähler erklären kann. Wir haben Sie doch nicht gewählt, um dieses Projekt zu bauen."
"Ja, das ist die neue Form von Demokratie. Wenn es ein unterirdisches Atomkraftwerk gewesen wäre, dann wäre ich jetzt zurückgetreten, aber es ist ja kein unterirdisches Atomkraftwerk."
Also, die Runde ging noch eine Stunde. Wir haben eigentlich - und das war schon bitter - wir haben null Ansage gekriegt, wie er z.B. vermeiden will, was Jürgen Hugger vorher sagte: Dass er eben nicht jetzt genau damit einen Prozess zulässt, dass die Bahn AG ganz spielend den Steuerzahler erpressen kann nach dem Motto, wenn wir jetzt schon mal mittendrin in der Baugrube stecken, da muss man halt zahlen, egal, was bei den Fildern oben passiert. Wir haben versucht zu argumentieren: "Herr Kretschmann, es ist doch so, dass das Projekt noch nicht fertig geplant ist oben auf den Fildern, und bei jeder Planfeststellung, bei jedem Abschnitt gibt es die Möglichkeit, das Projekt insgesamt in Frage zu stellen. Das ist die Planrechtfertigung. Damit steht jeder Planfeststellungsabschnitt zur Disposition. Was passiert denn, wenn wir jetzt oben in der Planfeststellung drin sind und wir heute nachweisen können, dass es viel teurer wird. Und das ist ja nicht die Zahl von uns, sondern die Bahn AG hat ja selber zugegeben: "Im Gegensatz zu 2006 kostet das Projekt nicht mehr 2,8 Milliarden €, sondern 4,1 Milliarden € oder 4,5 Milliarden". Wir sagen ja noch mehr - aber auf jeden Fall ist klar, dass das Projekt viel, viel teurer geworden ist. Beim Nutzen ist das Gleiche. Damals hat man versprochen, wir haben das Leistungsversprechen: 50 bis 100 % mehr Züge. Jetzt wissen wir, dass der Kopfbahnhof - und das hat ihre NVBW, die Nahverkehrsgesellschaft bestätigt - heute schon mehr kann als Stuttgart 21 jemals können wird."
"Ja, also, wir machen da oben einen Faktencheck, und dann werden wir das alles erörtern ..."
"Aber Herr Kretschmann, das kann doch nicht ersetzen, dass wir uns über dieses Projekt grundsätzlich auseinandersetzen müssen. Wenn das Murks ist, funktioniert es nicht."
"Ja, aber wir meinen es dann schon ernst, dass die Bürger sich beteiligen können. Wir sind da mit allen im Gespräch."
Ich könnte euch noch weiter solche Zitate um die Ohren hauen. Ich lasse es jetzt. Ich will nur eines klarstellen: Wir müssen uns darauf einstellen, dass Herr Kretschmann nichts tut, um die Geisterbahnfahrt zu vermeiden, dass er hier, ohne dass er weiß, ob Stuttgart 21 überhaupt funktioniert und was es kostet, einsteigt in das Projekt, dass es da Opfer geben wird - und das sind der Südflügel und die Bäume. Das ist für ihn völlig klar, das steht nicht zur Disposition. Und unsere Aufgabe ist es jetzt - und das ist für Geisterfahrer im Endeffekt üblich - wenn einer geisterfährt, muss er sich nicht wundern, wenn ihm Tausende entgegenkommen. Und deswegen ist es jetzt unsere Aufgabe, wenn diese Landesregierung uns da im Stich lässt, weiter zum Schutz dieses Landes, zum Wohle dieser Stadt dieses Projekt zu verhindern. Und das müssen wir nun mal selber machen, denn wenn wir "OBEN BLEIBEN" gesagt haben, dann haben wir nicht gemeint "OBEN BLEIBEN an der Regierung" und das um jeden Preis. Sondern da haben wir gemeint, wir wollen diesen Bahnhof nicht! Und dann gilt auch für diese Landesregierung: "Ihr werdet uns nicht los, wir euch schon !"