Pressemitteilung: Juristen zu S21 – 1,5 Mrd. EUR Ausstiegskosten – Eine eindeutige Wählertäuschung!

Juristen weisen sogenannte Ausstiegskosten von 1,5 Mrd. EUR als Wählertäuschung zurück 

Mehrere Rechtsanwälte und Richter aus dem Arbeitskreis „Juristen zu Stuttgart 21“ weisen die Ausstiegskosten von 1,5 Mrd. EUR für den Fall einer erfolgreichen Volksabstimmung als abwegig zurück.

„Es ist eine Irreführung, wenn immer wieder behauptet wird, mehrere Wirtschaftsprüfungsgesellschaften hätten übereinstimmend die Ausstiegskosten in dieser Höhe bestätigt“, sagt Rechtsanwalt Bernhard Ludwig. Tatsächlich war diese Zahl lediglich von einer der drei Wirtschaftsprüfungsgesellschaften als „plausibel“ eingestuft worden, nämlich der PricewaterhouseCoopers Wirtschaftsprüfungsgesellschaft AG (PwC). Die beiden anderen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften kamen zu wesentlich geringeren Kostenschätzungen (Susat & Partner OHG: 1.074 Mio. EUR; Märkische Revision GmbH: 453 Mio. EUR). „PwC prüft seit Jahren die Abschlüsse der Deutsche Bahn AG und ihrer Tochterunternehmen“, ergänzt Ludwig. „Wie unabhängig ist dann PwC wirklich?“

Der SPD-geführte Teil der Landesregierung und auch der SPD-Fraktionschef im Landtag Claus Schmiedel verbreiten gleichwohl weiterhin, unabhängige Wirtschaftsprüfer hätten die Ausstiegskosten von 1,5 Mrd. EUR als plausibel bewertet. Einzig der Justizminister hält in der SPD-Spitze dagegen: „Die Validität dieser Prognose ist unklar. So liegen die Beurteilungen der drei eingeschalteten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften diesbezüglich weit auseinander.“ (Landtags-Drucksache 15/616, Seite 13).

Ausstiegskosten von 1,5 Mrd. EUR sind unbegründet:

• Die Bahn behauptet Kosten, die zum großen Teil mit dem Projekt Stuttgart 21 nichts zu tun haben oder Mittel betreffen, die ihr gerade für den Bau von Stuttgart 21 zugewendet wurden.

• So behauptet die Bahn Ausstiegskosten von 194 Mio. EUR für die Neubaustrecke, obwohl diese laut Koalitionsvertrag in jedem Fall gebaut werden soll.

• Die Bahn rechnet auch die Rückzahlung des Kaufpreises an die Stadt Stuttgart für die Gleisflächen nebst Zinsen in Höhe von zusammen 708 Mio. EUR den Ausstiegskosten hinzu, obwohl sie wertvolle Grundstücke zurückerhält und seit Erhalt der Kaufpreiszahlung im Jahr 2001 Zinsvorteile in dreistelliger Millionenhöhe hatte. Die vorgezogene Kaufpreiszahlung sowie der Zinsverzicht dienen zur Finanzierung des Anteils der Bahn bis 1,8 Mrd. EUR an den Projektkosten. Sie verlieren ihren Zweck, wenn das Projekt fällt.

• Die Rückzahlung eines Betriebskostenzuschuss des Flughafens in Höhe von 115 Mio. EUR kann nicht den Ausstiegskosten hinzugerechnet werden, da er ausdrücklich für den Ausgleich von „Betriebsverlusten“ durch den Bau von Stuttgart 21 bestimmt ist.

Die Gleichsetzung von Ausstiegskosten mit Ersatzansprüchen gegen das Land Baden-Württemberg ist rechtlich verfehlt. Ersatzansprüche kommen nur in Betracht, wenn das Land durch die Kündigung Vertragspflichten verletzen würde und der Bahn dadurch ein Schaden entstünde. Wird der Vertrag zu recht gekündigt, gibt es grundsätzlich keine Schadenersatzansprüche (so ausdrücklich der Justizminister Stickelberger, Landtagsdrucksache 15/673, Seite 3). Und nur wenn berechtigte Kündigungsgründe von der Landesregierung festgestellt werden, soll auch gekündigt werden.

Eine Kündigung würde aus folgenden Gründen keine Vertragspflicht verletzen:

• Der Finanzierungsvertrag ist nichtig, weil er gegen das Grundgesetz und das darin geregelte Verbot der Mischfinanzierung verstößt.

• Die Bahn hat mutmaßlich über Mehrkosten des Projekts von über 1 Mrd. EUR vor Vertragsschluss getäuscht. Dann kann sich das Land vom Vertrag lösen und seinerseits Schadenersatz verlangen.

• Die Bahn hat erklärt, die absehbaren Kostensteigerungen über den vereinbarten Finanzierungsrahmen von 4,5 Mrd. EUR hinaus nicht allein zu tragen. Die anderen Vertragsparteien haben ebenfalls weiteren Zahlungen eine Absage erteilt. Damit fehlt das Geld, um das Projekt zu vollenden. Der Weiterbau des Projekts ist deshalb unzumutbar und der Vertrag kann aus wichtigem Grund gekündigt werden (vgl. Justizminister, Landtagsdrucksache 15/616, Seite 8 und 10). Andernfalls würde womöglich eine milliardenteure Ruine gebaut. Ersatzansprüche der Bahn kommen dann nicht in Betracht, weil sie die Kosten falsch berechnet.

• Schließlich muss die Bahn als vollständig öffentliches Unternehmen auch den demokratischen Willen einer erfolgreichen Volksabstimmung akzeptieren.

„Ausstiegskosten von 1,5 Mrd. EUR oder sogar darüber hinaus erweisen sich als hohle Drohung, die einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten würde“, schließt Rechtsanwalt Dr. Eisenhart von Loeper. “Es ist zudem nicht nachvollziehbar, wenn die Partei, die den Finanzminister stellt, im Vorfeld einer möglichen gerichtlichen Auseinandersetzung mit der Bahn deren Behauptungen kritiklos übernimmt. Schließlich hat auch der Finanzminister in seinem Amtseid geschworen, Schaden vom Land abzuwenden,“ ergänzt Dieter Reicherter, Vorsitzender Richter am Landgericht a.D.

Pressekontakt:
Bernhard Ludwig, Rechtsanwalt,
Kernerplatz 2, 70182 Stuttgart, ludwig@anwaltskanzlei-keller.de
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10 Antworten zu Pressemitteilung: Juristen zu S21 – 1,5 Mrd. EUR Ausstiegskosten – Eine eindeutige Wählertäuschung!

  1. James sagt:

    • Schließlich muss die Bahn als vollständig öffentliches Unternehmen auch den demokratischen Willen einer erfolgreichen Volksabstimmung akzeptieren.

    Die Bahn muss eine erfolgreichen VE zum Kündigungsgesetz als demokratisches Ergebnis aktzeptieren…
    Wie bitte verhält sich das zu diversen Äusserungen seitens S21 Gegnern bei einer Niederlage beim VE diesen zu ignoieren und so weiterzumachen (oder deutlich schärfer) als vor dem VE?

    Ich kann nicht Wasser predigen und Wein saufen (hey, Bräuchle und Schmiedel in einem Satz…..)
    Persönlich bezweifle ich auch einen Erfolg, einem Quorum von 20% oder 25%….

    Auch 1,5 Mrd bezweifle ich genauso, wie auch 375 Mio…. von den Wunschsummen was die vollständige Realisierung von K21 betrifft ganz abgesehen. Für mich ist das keine Wahl zwischen Himmel und Hölle, eher (finanziell) zwischen Pest und Cholera… auf der einen Seite S21 mit unkalkulierbaren Risiken, auf der anderen K21 mit ähnlich finanziellen Risiken.

    • Traumflug sagt:

      Kostenrisiken von K21? Die scheinen mir doch recht beherrschbar.

      Bleibt der Kopfbahnhof, kann man die einzelnen Baumassnahmen Stück für Stück durchführen. Ein neues Dach, ein oder zwei neue Fahrwege, ein Busbahnhof, eine Überbauung der Zufahrtsgleise, etc. Alles Einzelmassnahmen, die ausgeführt, oder bei zu hohen Kosten, auch bleiben gelassen werden können. Schliesslich funktioniert der Bahnhof bereits so wie er ist.

    • Ungezaehlt sagt:

      Hallo James,
      leider wird die Volksabstimmung immer als die „Entscheidungsschlacht um Stuttgart 21“ gehandelt.
      Das ist sie aber nicht. Wenn man die Landesverfassung liest (es reichen Art. 59 und 60), dann wird nicht nur klar, warum die Fragestellung so verquer ist. Sondern auch, daß, wenn die VA scheitert (Quorum von 1/3 aller Wahlberechtigten verfehlt oder gar Mehrheit gegen) juristisch die Situation dieselbe ist wie jetzt.
      Das heißt aus den Spielregeln der Volksabstimmung nach der BaWü-Verfassung folgt nur im Falle eines JA-Votums eine Änderung des Status Quo.

      Mal ganz abgesehen davon, daß die sachlichen Gründe gegen S21 und für K21 nicht von Meinungen abhängen, und deshalb auch nicht durch eine Volksabstimmung falsch werden.

  2. schuco sagt:

    Hier werden 3 Zahlen von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften genannt 1,5 Mrd, 1,0 Mrd und 450 Mio. Meistens liegt bei verschiedenen Gutachten die Wahrheit ja in der Mitte; aber wie kommt Hermann da auf 350 Mio. Zumindest dies scheint von gar keiner Wirtschaftsprüfungsgesellschaft gedeckt.

  3. gottfried ohnmacht-neugebauer sagt:

    1,5 Milliarden Ausstiegskosten ?
    Hier handelt es sich ganz eindeutig um die leicht aufgerundete „Drexler´sche Zahl“:
    eine Erfindung von Wolfgang Drexler, die er bereits im Juli 2010 ganz bewußt in die Welt gesetzt hat, um die Öffentlichkeit zu täuschen. Schlimm genug, dass die Journalisten damals nicht sofort nachgefragt haben, wie diese Zahl zustande kommt. Das grenzt an Beihilfe zum Wählerbetrug. Die anderen Herren: Grube, Mappus, Kefer, Schuster, Schmiedel und zuletzt der SPD-Finanzstaatssekretär Ingo Rust, sie alle haben nur nachgeplappert. Das Verdienst, diese Lüge in die Welt gesetzt zu haben, gebührt eindeutig Herrn Drexler. Wahrscheinlich hat er sich dadurch für höhere Aufgaben qualifiziert.

  4. Guldi sagt:

    Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC hat 55 Mrd. EUR übersehen, wie kann man so einem Prüfer überhaupt noch trauen?

  5. Norbert Rupp sagt:

    Ganz einfach! Das funktioniert nach dem alten Motto: Ich traue nur der Kalkulation, die ich selbst gefälscht habe (frei nach Churchill/Goebbels, der das ja dem armen Winston angehängt hat).

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