„Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht“ (Bertolt Brecht)
- S21 und Ziviler Ungehorsam
Sonntag, 13.11.2011 um 15 Uhr im DGB-Haus
Wenn die klassischen politischen Institutionen versagen – das hat die Geschichte gezeigt – können grundlegende gesellschaftliche Veränderungen nur noch durch massenhaften Zivilen Ungehorsam realisiert und umstrittene Großprojekte, wie Wyhl und Wackersdorf, gestoppt werden.
Die Volksabstimmung am 27.11. in der derzeitigen Form ist kein geeignetes Mittel, den Bau von Stuttgart 21 verlässlich und auf fairem Wege zu beenden. Mit einem Quorum von 30% und einer Abstimmung ausschließlich über die Finanzierung durch das Land, ist eine direkte Einflussnahme der Bürgerinnen und Bürger von Baden-Württemberg kaum möglich. Über die irreversiblen Schäden, die durch Stuttgart 21 angerichtet werden, kann nicht abgestimmt werden. Und fände sich auch bei Erreichen des Quorums ein Ersatzinvestor, so könnten die Zerstörungen durch den Bau von Stuttgart 21 nach der Volksabstimmung einfach weitergehen.
„Machbar, aber nicht durchsetzbar“, könnte es aber auch in Stuttgart heißen, wenn sich eine von unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen getragene Widerstandsbewegung gewaltfrei widersetzt und Bau- und Baumfällfahrzeuge blockiert. Trotz aller staatlichen Repressionen, die diese Aktionsform mit sich bringt.
Es diskutieren:
Prof. Dr. Peter Grottian (Hochschullehrer für Politikwissenschaft FU Berlin, Wiss. Beiratsmitglied Attac, Bewegungsaktivist in verschiedenen Sozialen Bewegungen)
Fritz Mielert (Campact, Mitbegründer der Parkschützer, entwickelte Trainings für zivilen Ungehorsam und war für die Öffentlichkeitsarbeit der Gruppe maßgeblich verantwortlich)
Thomas Trüten (IG Metall Vertrauenskörperleiter und Sprecher des Bündnisses für Versammlungsfreiheit Stuttgart)
Julia von Staden (Stuttgarter Soziologin und Mitglied der Blockadegruppe der Parkschützer und von ver.di, Koordinatorin der Sitzblockadeaktion Aus!Sitzen)
Moderation: Dr. Tanja Hundsdörfer
Sonntag, 13.11.2011 um 15 Uhr im DGB-Haus, Willi-Bleicher-Str. 20, 70174 Stuttgart (Haltestelle Friedrichsbau U9, U14)
Eine Veranstaltung der Blockadegruppe der Parkschützer und von ver.di.
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Hallo liebe Freunde des Kopfbahnhofs,
ich benötige dringend eine Argumentationshilfe.
Ich wurde am WE mit diesem Einwand konfrontiert:
Nahezu alle Wähler könnten lesen und schreiben und schauen Fernsehen / hören Radio.
Insoweit sei auch jedem Wähler bekannt, dass er, wenn er für das Ausstiegsgesetz ist, zur Wahl gehen und mit ja stimmen muss oder per Briefwahl abstimmen. Das Wahllokal liegt ja irgendwo um die Ecke und ist kaum weiter, als der nächste Bäcker.
Wer nicht für das Ausstiegsgesetz ist, muss für dieses also auch nicht stimmen.
Wenn nun aber nur weniger als 1/3 der Wähler für das Ausstiegsgesetz stimmen, könne es nicht undemokratisch sein, wenn dieses dann durchfällt, da ja weniger als 1/3 noch deutlich weniger als die Hälfte ist.
Was kann man hierauf denn nun erwidern?
Es wird doch wohl kaum so sein, dass die Gegner des Projektes zu faul sind, die paar Schritte zu gehen oder sich per Briefwahl zu beteiligen.
Bitte gebt mir ein paar Argumentationshilfen!
Dieses Argument geht davon aus das sich 100% der Wahlberechtigten eine Meinung gebildet HABEN (nicht bilden können, das muss in einer Demokratie als gegeben angenommen werden). Dazu kommt noch das eine Meinung haben und die Meinung auch sagen Zwei unterschiedliche Dinge sind.
Das Quorum ist deswegen undemokratisch weil es eben davon ausgeht das ein Thema 100% der Bevölkerung zum Wählen motiviert. Das ist bekanntermaßen unrealistisch, da aus aktuellen Erfahrungswerten 20-50 Prozent der Wähler gar nicht erst wählen gehen und deswegen wird das Ergebnis verfälscht.
Grundsätzlich ist ein Quorum sinnvoll, um eine Mindestwahlbeteiligung also Teilhabe sicherzustellen. Das 1/3-Quorum setzt aber eine relativ hohe Wahlbeteiligung voraus, die bei einem Sachthema, von dem viele sich gar nicht betroffen fühlen, nicht erwartet werden kann. Da S21 vor allem Stuttgarter und Umland betrifft, sollte die Abstimmung normalerweise nur dort stattfinden. Bei einer landesweiten Abstimmung ist ein Quorum von 1/5 der Wahlberechtigten für die Gesetzesinitiative ausreichend. Die Parteien müssen einsehen, dass parteipolitische Interessen oft eine sachgerechte Entscheidung unwahrscheinlich machen, hier ist eben die Bevölkerung so einzubeziehen, dass eine demokratische Beteiligung tatsächlich auch praktisch möglich ist.
@ Blockierer,
bei einer ganz normalen Wahl gewinnt der, der die meisten Stimmen hat. Nimm die letzte:
Wahlbeteiligung 66,3 %, davon CDU 39 %, das entspricht 25,85 % der Stimmen aller Wahlberechtigten. Mit etwa der Quote von 39 % und ein paar Überhangmandaten ist die CDU in den Landtag gekommen. Bei einer Volksabstimmung CDU – ja oder nein ? – hätte sie es nicht geschafft, weil weniger als ein Drittel der Wahlberechtigten für sie gestimmt haben.
SPD und Grüne haben zusammen 47,3 % der abgegebenen Stimmen erhalten. Bei der Wahlbeteiligung von 66.3 % sind das 31,36 % der Stimmen aller Wahlberechtigten, also 2, 97 % weniger als bei der Volksabstimmung für den Ausstieg notwendig sind. Auch da wären sie durchgefallen. Für uns heißt das, dass wir jede Proteststimme an die Urne bringen müssen,
denn nur mit den Stimmen der Grünen kriegen wir gerade mal 24, 1 % aus 66,3 %, das sind 15,97 % der Stimmen aller Wahlberechtigten. Also müssen alle SPD- und CDU-Abweichler, die Piraten, die ÖDP, die Violetten, sogar die REPs und eine große Masse an Nichtwählern bei der Landtagswahl
für die Volksabstimmung gewonnen werden. Rein rechnerisch wäre das knapp zu schaffen. Dafür ist aber noch viel zu tun. Also ran an den Speck !
Walter Zuleger, Stuttgart
Das Thema müsste doch nur 1/3 der Wähler motivieren.
So viel kann man doch wohl verlangen, dass diese die paar Schritte bis zum Wahllokal gehen.
das würde im Umkehrschluß auch heissen das es im Ländle 1/3 S21 Gegner gibt… und das wage ich ehrlich gesagt zu beweifeln. oder im Umkehrschluss 2/3 Befürworter…
Jeder, der die Aktionen des zivilen Ungehorsams hier kennt, weiß dass es sich um eine besonders
friedliche und konsequente Aktionsform handelt, die zudem von gemäßigten Kräften organisatorisch
getragen ist. Das schließt nicht aus, dass auch Fehler passieren, die auch damit zu tun haben, dass
nicht nur Akteure auf dem Plan sind, die sich entsprechend positiv vorbereitet haben.
Meine Fragen die ich an diese Veranstaltung habe:
– Wollen wir die Begriffe Widerstand und ziviler Ungehorsam trennen?
– Wieviel Gemeinsamkeit gibt es zwischen Widerstand gegen S21 und traditionellen Kräften aus
dem „Friedenskampf“, „Antirepression“, „Antifaschismus“
– Ist unser Ziel so richtig formuliert:
Mit Aktionen des zivilen Ungehorsam S21 verhindern
oder alternativ:
Mit zivilem Ungehorsam das Unrecht bekämpfen, das zu S21 geführt hat.
Ich werde diese Veranstaltung besuchen, auch weil ich meine, dass der zivile Ungehorsam in Stuttgart
viele Ausprägungen und den Hintergrund eines breiten politischen Spektrums haben muss. Dazu
ist es notwendig, dass sich möglichst viele angesprochen fühlen.
http://www.parkschuetzer.de/assets/statements/106371/original/Veranstaltungshinweis_Blockadegruppe.pdf?1320738959
Meine Frage hierzu lautet:
Unter den jetzigen verfassungsrechtlichen Regeln bedeutet es ja, dass diejenigen, welche gegen einen Ausstieg sind, einfach nicht abstimmen müssen, so dass es eine aktive Willensbekundung sein KANN, eben nicht für einen Ausstieg zu stimmen.
Wenn das Quorum nun nicht erreicht werden sollte, aber dennoch eine Mehrheit für den Ausstieg votiert, hat man doch noch nicht diejenigen erfasst, welche gegen einen Ausstieg sind, aber eben nicht zur Abstimmung gegangen sind.
Wenn man aus dieser „einfachen“ Mehrheit nun etwas herleiten wollte, müsste es hierfür doch im Interesse der Rechtssicherheit schon VORHER eine gesetzliche Grundlage geben, damit derjenige, welcher nicht zur Abstimmung geht, VORHER schon weiß, welche Konsequenzen dies hat.
Anders formuliert: Würde es das Quorum nicht geben, sondern eine einfache Mehrheitsentscheidung, würden ggf. viele von denen, welche jetzt einfach nicht zur Abstimmung gehen, weil sie ja wissen, dass dies keine Konsequenzen hat, ggf. doch zur Abstimmung gehen und dort mit nein stimmen.
Kann man also unter Berücksichtigung der BESTEHENDEN RECHTSLAGE nun hinterher eine andere Wertung treffen, als diese sich zum Zeitpunkt der Abstimmung aus der Verfassung ergibt?
„Dieses Argument geht davon aus das sich 100% der Wahlberechtigten eine Meinung gebildet HABEN“
Man kann aber auch nicht einfach unterstellen, dass sich diejenigen, welche nicht abstimmen, keine Meinung gebildet hätten.
Die Rahmenbedingungen sind ja nun allen bekannt, wer für den Ausstieg ist, muss für das Ausstiegsgesetz stimmen, wer dagegen ist, muss entweder dagegen stimmen oder der Abstimmung fern bleiben.