Die Juristen zu Stuttgart 21 veröffentlichten heute folgende interessante Pressemitteilung:
In seinem Schlichterspruch vom 30.11.2010 stellte Heiner Geißler fest: „Bis 2016 ist die Finanzierung durch die Bahn und das Land Baden-Württemberg sichergestellt.“ Das trifft nicht zu.
Der Arbeitskreis „Juristen zu Stuttgart 21“ weist darauf hin, dass der Schlichterspruch zum Projekt Stuttgart 21 nicht das Problem der Verfassungswidrigkeit der Mit-Finanzierung von Bahnvorhaben durch das Land und die Stadt beheben konnte. „Über das Grundgesetz kann man nicht verhandeln“, erläutert Rechtsanwalt Bernhard Ludwig, der Mitglied im Arbeitskreis ist und als Rechtsexperte des Bündnisses gegen Stuttgart 21 an der 7. Schlichtungssitzung am 26.11.2010 teilgenommen hatte.
Zwar hat die Landesregierung im Jahr 2007 ein Gutachten von Prof. Dolde eingeholt, dass die Mitfinanzierung für zulässig erachtet. „Prof. Dolde hat ein wichtiges Gerichtsurteil übersehen, das in einem vergleichbaren Fall einen Finanzierungsvertrag zum Ausbau von Verkehrswegen für nichtig erklärt hatte und das auch seinerzeit von der Bundesrepublik durch ihre Klagerücknahme in der Berufungsinstanz akzeptiert worden ist“, kommentiert Ludwig weiter und verweist auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg aus dem Jahr 1986 (Urt. v. 16.04.1986, Az. 7 (3) A 144/82, StädteT 1986, 819).
Es sei zudem nicht nachvollziehbar, dass die Landesregierung das Gutachten des renommierten Staatsrechtlers Prof. Hans Meyer einfach ignoriere, der konkrete Fehler im Gutachten von Prof. Dolde nachweise. „Die Argumentationsschwächen des Dolde-Gutachtens sind für einen Juristen erkennbar und können auch dem Staatsministerium nicht verborgen geblieben sein“, so Ludwig, der das Dolde-Gutachten zusammen mit weiteren Juristen geprüft hat. Selbst wenn man der Argumentation Doldes folge, wäre die Mitfinanzierung der Neubaustrecke Ulm - Wendlingen nur gerechtfertigt, wenn es sich dabei zu knapp 50 Prozent um ein Projekt des Schienenpersonennahverkehrs handeln würde. Das könne bei der Magistrale Paris - Budapest als Hochgeschwindigkeitsstrecke nicht ernsthaft vertreten werden.
Ludwig weist darauf hin, dass der Bund und die Deutsche Bahn das Risiko eingehen, den verfassungswidrigen Finanzierungsanteil von Land, Stadt und Region in Höhe von über zwei Mrd. Euro später übernehmen zu müssen. „Das wäre ein gelungener Schwabenstreich. Das Land erkauft sich mit einer verfassungswidrigen Finanzierungszusage ein Jahrhundertprojekt und der Bund muss nachher die Kosten allein tragen. Auf die Nichtigkeit kann sich auch noch in Jahren jeder öffentliche Projektbeteiligte berufen. Das könnte bei einem Wechsel der Mehrheiten in Land, Stadt und Region schnell passieren. Auch ein Gericht könnte die Verfassungswidrigkeit feststellen, etwa bei einer Klage gegen die noch offenen Planfeststellungen.“ Rechtsanwalt Ludwig und seine Kollegen aus dem Arbeitskreis „Juristen zu Stuttgart 21“ empfehlen daher dringend, die verfassungsrechtliche Frage vor einem Weiterbau möglichst rechtssicher klären zu lassen. Zwar könne nur eine Gerichtsentscheidung eine verbindliche Klärung bringen. Aber auch Gutachten neutraler Verfassungsrechtler könnten das Risiko des späteren Scheiterns reduzieren.
Die „Juristen zu Stuttgart 21“ sind ein unabhängiger Arbeitskreis von zurzeit etwa 30 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, Richtern und anderen Juristen, die sich mit Rechtsfragen des Projekts Stuttgart 21 und der Neubaustrecke aus bürgerschaftlichem Engagement befassen.
Pressekontakt: Patrick Kafka, presse(at)juristen-zu-stuttgart21.de , Mobil: 0176 - 35488207
Ich frag mich halt blos, warum wird, wenn das so klar ist, nicht gleich Klage eingereicht?….
Weil der Schuss auch nach hinten losgehen kann!
1. Vor’s Verfassungsgericht zieht man/frau nicht mal eben so. U.a. braucht es Gutachten und Geld. In diesem Fall dürfen wahrscheinlich nur noch Beteiligte/Betroffene klagen (Landesregierung, Stadt Stuttgart usw.) aber eben nicht z.B. Parteien (Grüne). Und die SÖS hätte wohl auch nicht das nötige Kleingeld?
2. Viel riskanter aber sind die politischen Folgen. Angenommen das BVerfG gibt der Klage statt, dann ist ab dem Moment jede Vorfinanzierung eines Bundeslandes oder einer Stadt hinfällig – soweit es eben Aufgaben des Bundes betrifft. Jede! Das würde dann z.B. auch gelten, wenn ein rot-grünes Bundesland … (nur ein Beispiel) den Staatsvertrag mit den sog. Energieversorgern kündigt, weil es die Schnauze voll hat und die Stromleitungen in Eigenregie betreiben und bauen will, damit endlich regenerativer Strom ins Netz kommt.
Ein zweiter politischer Schuss nach hinten wäre, die jeweilige Bevölkerung, der man kaum erklären könnte, warum man als Bundesland nicht mehr selbst eigene Projekte machen dürfe, aber schön brav in den Länderfinanzausgleich zahlen soll?
Ich denke aus diesem (letzten) Grund werden die Grünen erst nach dem 27.3. sehr genau abwägen, ob sie es machen – und sei es nur um Schuster mal zu zeigen wo der Bartl de Most holt.
Das eigentlich schöne daran aber wäre, sobald das BVerfG eine Klage angenommen hat (aber noch lange nicht entschieden), kann man einstweilige Verfügungen erlangen, das wäre dann der Baustopp – im Sommer! Und Angie und ihr Ramsauerle würde im Kreis rotieren, weil der Bund sagen müsste, … neee, wir zahlen S(chwachsinn)21 nicht. Den Tag würde ich mir dann wirklich mal rot im Kalender anstreichen.
>>Die „Juristen zu Stuttgart 21“ sind ein unabhängiger Arbeitskreis…<<
kleiner Scherz am Ende, oder?
😀
Von wem sollen die denn abhängig sein? Nur weil jemand eindeutig Position bezieht ist er noch lange nicht „abhängig“. Also bevor man rummosert sollte man sich vielleicht erstmal Gedanken über die Bedeutung des Wortes machen.
Eigentlich ists ganz simpel. Ramsauer wäre jetzt eigentlich in der Pflicht, die Bundesregierung in Punkto Finanzierungsfragen wieder auf sicher Füße zu stellen.
Ihm muss doch daran gelegen sein, Schaden vom Bund abzuwenden. Oder?
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