Parkschützerin Nr. 225 Sylvia Heimsch auf der Parkschützer-Seite:
Guten Morgen allerseits!
Ich (Architektin - z.Zt.mehr Hausfrau, 3 Schulkinder, bürgerlich, mit Haus und Garten und wie man´sich´s so vorstellt) bin gestern, nachdem ich lange die Leiter mit festgehalten hatte, auch spontan hochgeklettert obwohl ich tierische Höhenangst habe. Drinnen traf ich etliche Parkschützer. Die Stimmung war ausgelassen und dennoch sehr diszipliniert, wenn es Besprechungen gab.
Ich bedanke mich vor allem bei den vielen Menschen, die rund um das Gebäude im strömenden Regen stundenlang ausharrten. Diese hatten es meiner Meinung nach viel schwerer als wir, die wir nur im Trockenen auf den Abtransport warten mußten. Das war eine beachtliche Solidarität! Von oben konnte man auch sehr gut beobachten, wie gut einzelne immer wieder aufgeladenen Situationen deeskalierten. Wir sahen auch, wie Polizisten in der Regel auf Verbalattacken sofort mit starkem Schubsen reagierten.
Auch dass eine Räumung des Platzes nicht durchführbar war, war das Verdienst der zahlreichen Demonstranten vor Ort. Die Masse hat´s gebracht. Bei der Räumung und beim Transport zum Pragsattel und auch dort lief alles wohl ziemlich normal ab. Die Stimmung war durchweg sehr lustig und ausgelassen. Zwar wurden uns "Erstgeräumten"
Handschellen, mit den Händen auf dem Rücken, angelegt, was vor allem im Polizeibus, der mit einem Affentempo zum Pragsattel raste, sehr unbequem war. Zudem sprang mein Gurt auf (er rastete schon anfangs andauernd nicht ein), so dass ich völlig ungesichert war und mich nur mit den Füßen verkeilen und abstützen konnte. Egal, bei der Polizei herrschte dann wieder eine Super-Stimmung, das volle Chaos, weil wir so viele waren. Sie erzählten sich auch untereinander von ihrem unkoordinierten Einsatz am Hbf und vom Zuständigkeitswirwar. Zuerst waren wir mit ca. 10 Leuten kurz in einer Zelle, bevor jeder fotografiert und alle Habseligkeiten penibel aufgelistet wurden (jedes fetzchen), bis sie aus lauter Personalnot etwas oberflächlicher werden mußten. Wir hörten auch öfter, dass die Beamten sich auch gegen S21 aussprachen und privat mit uns sympathisierten. Dann wurde es nochmal heftig, denn ich dachte, jetzt haben sie ja alles, jetzt kann ich gehen. Falsch gedacht: Es ging hoch in den ersten Stock, ein langer Flur mit lauter nach aussen öffnenden Türen, so komische Hebel und Klappen dran! Ups, überall standen Schuhe davor. Tür auf, ich rein, Tür zu. Kannte ich bisher nur aus dem Fernsehen. Gottseidank war schon eine Besetzerin drin. Man hatte uns nichts über die Dauer unseres Verbleibes in dieser "minus 3-Sterne-Absteige" gesagt. So richtete ich mich seelisch auf die ganze Nacht ein, zumal vom Flur der Gesprächsfetzen von einem Disput gegenüber drang: "...das können Sie dann auch noch morgen früh...". Wir froren, saßen bei Neonlicht auf unseren Holzmatratzen mit Härtegrad 10 oder 20 und spielten "Stadt, Land, Fluß". So ging das eine Stunde. Wir hatten kein Wasser(Trinken), keine WC-Spülung, keine persönlichen Gegenstände. Dann hörten wir woanders Wasserspülungen und dachten uns, dass es wohl doch keine Schikane sei mit dem Wasserentzug. Wir klopften und betätigten den Notrufknopf. Als dann endlich jemand kam (im ärztlichen Notfall wären wir bis zum Eintreffen der Beamten schon tod gewesen; wobei die Schwestern im Robert-Bosch-Krankenhaus auch nicht schneller kommen), waren die wirklich sehr nett, versuchten noch, es zu reparieren. Das war dann wieder sehr komisch, denn als einer die WC-Spülung betätigte, schoss ein Wasserstrahl aus dem Wasserauslass am Waschbecken (wobei Waschbecken nur grob den tatsächlich vorhandenen "Sanitärgegenstand" beschreibt. So wurden wir dann (ausnahmsweise ohne die eigentlich notwendigen Handschellen) zu drei anderen Frauen verlegt, von wo aus es dann auch bald zur "Freilassung" ging. Nach Erhalt unserer Habe wurden wir im Dreierpack von 2 Beamten durch Gebäudeteile und über einen Hof zum Ausgang begleitet und dort, für mich völlig überraschend, gegen 2.00 Uhr heute Morgen von vielen Demonstranten mit tosendem Applaus und Kaffee in Empfang genommen!
Vielen Dank an ALLE so friedlich, nett und lustig Beteiligten für diesen gelungenen Abend/Nacht!!!
Damit meine ich auch die Polizei. ich werde noch meinen Enkeln von diesem denkwürdigen Erlebnis berichten - immer, wenn ich sie dann vom Zug im Kopfbahnhof in Stuttgart abhole (und die werden innerlich stöhnen und denken:"Jetzt kommt die Oma wieder mit DER ollen Geschichte von der Besetzung 2010!")
Parkschützerin Helga Stellbauer auf der Parkschützer-Seite:
„Hallo Sylvia, ich habe vom Hausdach mit dem älteren Herrn die Leiter gehalten und musste dann ebenfalls ganz hoch (ich war die mit der Kuhglocke) weil es kein zurück mehr gab. Ich bin dann mit viel Herzkopfen auch ganz hochgeklettert. Der ältere Herr ist dann doch noch über die Leiter irgendwie runter gekommen. Ich war oben, es war alles wie im Krimmi. Nach einer halben Stunde bin ich und einige anderen über die Treppe wieder nach unten gegangen. Unten wurden wir von der Polizei empfangen und da ich mein Perso nicht dabei hatte, landete ich, wie ihr auf dem Pragsattel. Nur um meine Personalien zu überprüfen, haben sie mich in eine Zelle gesteckt -alleine – mir war ganz schrecklich zu Mute. Ich weiß jetzt was es heiß in einer Zelle zu stecken und ich war nur eine halbe Stunde drin. Als ich wieder raus durfte und meine Habseligkeiten zurückbekam, habe ich bemerkt, dass sie die Simkarte von meinem Handy raus hatten. Dies hat mich voll wütend gemacht!!! Fazit: Wäre ich gleich „oben geblieben“ hätte es mich nicht schlimmer erwischt! Und denkt dran, immer den Perso mitnehmen, sonst landet ihr im Bau! In ganz großer Verbundenheit
Helga“
nun bin ich aber mal gespannt ob das drin bleibt 😉
In Deutschland herrscht Ausweispflicht und in Deutschland kann man – auch wenn man auf einer Demo ist – nicht einfach Gebäude besetzen. Von daher ist die Verhältnismäßigkeit schon gegeben.
Freut euch doch einfach auf die nächste Besetzung und wünscht euch das die Polizei wieder so ‚höflich & verständnisvoll‘ ist 🙂