Sehr geehrter Herr Minister Hermann, sehr geehrter Herr Dr. Lahl [= Ministerialdirektor im Verkehrsministerium, Anm. von BAA],
für Ihre Antwort an unser Aktionsbündnis vom 16.10. danken wir Ihnen, Herr Dr. Lahl, auch wenn wesentliche kritische Fragen und Fakten fortbestehen. Bezugnehmend auch auf die Ansprache des Unterzeichners bei der MoDemo am 26.10.2015 halten wir es für geboten, dass Sie in der Sitzung des Lenkungskreises besonders folgende Forderungen an die DB als Bauträger von S 21 richten:
1. Die DB AG muss nach dem Beschluss des VG Stuttgart, 7 K 3612/15, vom 30.09.2015 als Verursacher der Mehrkosten jenseits des Kostendeckels von 4,5 Mrd. Euro mit voller Haftung rechnen. Übernimmt sie nun verlässlich die Gesamtkosten des Projekts und nimmt sie demgemäß ihre Ankündigung im Beschluss des Aufsichtsrats vom 5.03.2013 zurück, die Projektpartner auf Beteiligung an den Mehrkosten zu verklagen?
2. Hat die DB AG einen Auftrag zur externen Begutachtung der Projektkosten erteilt, der von den Staatssekretären der Bundesregierung laut dem vom Kanzleramt freigegebenen Dokument für ein Gespräch zwischen der Kanzlerin und MP Kretschmann vom 1.02.2013 gefordert, dann aber – außerhalb der bloßen Plausibilitätsprüfung von PwC – seither nie umgesetzt wurde?
3. Wann wird die DB AG die von Dr. Manfred Leger Ende September 2015 in Anwesenheit des Bahnexperten Andreas Kegreiß (Herrenberg) eingestandene Liste über 1700 S 21-Risiken den Projektpartnern und der Öffentlichkeit im Sinne angekündigter Transparenz offen legen?
4. Wie verhält es sich mit den auch vom EBA und auch von OB Fritz Kuhn monierten Sicherheitsnachweisen für die Bodenplatte zum Tiefbahnhof?
5. Wie verhält es sich mit den Sicherheitsnachweisen zum Brandschutz bzw. zu den bahnseitigen Absichten, die Fluchttreppenhäuser ans Bahnhofsende zu legen? Soll der Brandschutz nur für leistungsfähige Sprinter greifen, denen Hunderte Meter Entfernung im Brandfalle nichts ausmachen?
6. Wie verhält es sich mit den Sicherheitsnachweisen wegen der drohenden Wegrollvorgänge bei sechseinhalbfach überhöhter Gleisneigung, zu welcher bahnseits durch den Vize-Präsidenten des EBA Schweinsberg eingestanden wurde (siehe Gutachten BDir.a.D. Sven Andersen), der Sicherheitsnachweis (§ 2 Abs. 2 EBO i.V.m.§ 7 Abs. 2 EBO) sei nicht angefordert worden?
7. Da die Homepage des MVI das Untersuchungsergebnis der NVBM nicht mehr wiedergibt, wonach der Kopfbahnhof ohne zusätzliche Baumaßnahmen 50 Züge in der Spitzenstunde bewältigen kann, fragen wir an, ob das MVI die damit verknüpfte Frage des Leistungsrückbaus durch S 21 für nicht mehr relevant erklären will. Trifft es zu, dass die DB AG auf diesen Vorgang Einfluss genommen hat?
8. Zum Filderabschnitt von S 21 ist dringend zu thematisieren:
a) Warum gibt es keine Beschlussempfehlung des Regierungspräsidiums an das EBA zu den zahlreichen, im Zuge der Erörterungsverhandlung vorgetragenen Bedenken und Anregungen?
b) Gegen die Aufteilung in Teilabschnitte 1.3a und 1.3b bestehen grundsätzliche Einwände. Warum werden sie ignoriert und warum wird die öffentliche Erörterung wichtiger Bedenken unterlassen?
c) Warum unterbleibt die Abwägung des Vorschlags, die Gäubahn auf ihrer Bestandsstrecke zu belassen, obwohl sich damit fast alle Probleme des Filderabschnitts auf einen Schlag lösen ließen?
d) Wir beanstanden massiv, dass der 27 m tiefe, extrem unkomfortable und bezüglich Brandschutz und Fluchtwegekonzepten äußerst gefährliche Bahnhof NBS am Flughafen im Teilabschnitt 1.3a nicht durch die von der Schutzgemeinschaft Filder und uns vorgeschlagene ebenerdige, weitaus kostengünstigere, sicherere und komfortabel per Minimetro zu den Flughafenterminals erschlossene Alternative zum Messeparkhaus zu ersetzen ist.
e) Die Variante „Drittes Gleis“ löst die mannigfaltigen Probleme der sog. Antragstrasse nur unzureichend. Das MVI sollte darauf einwirken, dass diese Variante infolge Verschlechterung der gegenwärtigen S-Bahn-Erschließung des Filderraums als nicht genehmigungsfähig gelten muss.
9. Wir haben am 23.1o.15 bereits Bundesminister Alexander Dobrindt angeschrieben, im Sinne der Rechts- und Fachaufsicht korrigierend gegenüber dem EBA im Hinblick auf ersichtliche Gesetzesverstöße – besonders beim Fehlen „gleicher Sicherheit“ im Tiefbahnhof durch wegrollende Züge infolge sechseinhalbfach überhöhter Gleisneigung – einzugreifen. Es darf nicht länger angehen, die Situation bei S 21 schleifen zu lassen, wie wir es im Zusammenspiel zwischen interessierter Autoindustrie und Politik beim VW-Abgasskandal erlebt haben, denn hier wie dort wird den Interessen aller und dem Ansehen des Rechtsstaats schwer geschadet.
Wir im Aktionsbündnis verteidigen solche zentralen Belange und werden deshalb auch dieses Schreiben den Medien zugänglich machen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Eisenhart von Loeper, Sprecher des Aktionsbündnisses gegen S21