Bedrohte Trauerweide in Stuttgart-Feuerbach am S-Bahnhof
Dass die Stadt Stuttgart „Feinstaubhauptstadt Deutschlands“ ist, ist messtechnisch bewiesen. Dass Bäume Feinstaubfilter Nr.1 sind und für den Sauerstoffhaushalt der Bevölkerung zuständig, ist auch wissenschaftlich bewiesen. Doch Letzteres interessiert in Stuttgart nicht. Zumindest nicht diejenigen, die für die Einhaltung der Gesetze zuständig sind. Zur Erinnerung: Es heißt in Artikel 20a des Grundgesetzes: „Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere …“. Selbiges steht übrigens auch in Artikel 3a der Baden-Württembergischen Landesverfassung.
Nun wissen wir ja, dass beim Bau von Stuttgart 21 Teile des Grundgesetzes und der Landesverfassung durch das übergeordnete Baurecht außer Kraft gesetzt sind. Ausnahmeregelungen, geschwärzte Texte und Widersprüche dokumentieren auf anschauliche Weise das Zitat von EU-Kommissar Juncker „Wenn es ernst wird, muss man lügen.“
Bäume werden im Stadtgebiet gefällt, wie´s den „Vorhabenträgern“ passt. Auch wenn ein Baustellenbereich wegen nicht vorhandener Baugenehmigung stillgelegt ist, werden hier Bäume umgelegt. Aber nicht nur das Baurecht toppt das Grundgesetz, es ist auch die Dreistigkeit von Projektförderern, die in Stuttgart über der Verfassung steht. Ein Beispiel für die Allmacht von angeblichem Baurecht ist der Umgang mit dem Thema „Trauerweide in Feuerbach“. Hier, am S-Bahnhof, der einmal den Beginn der Tunnelröhren markieren soll, steht seit fast 80 Jahren ein für Feuerbach Identifikation stiftender Baum: DIE Trauerweide. Generationen von Bürgern ist er lieb geworden und war er ein morgendlicher Gruß, wenn sie zur Arbeit gingen und wieder heimkamen. Die Trauerweide gehört zu Feuerbach, sie ist „ein Bürger Feuerbachs“. Vom Frühjahr bis Herbst bleiben die Menschen stehen, wenn der Baum seine viele Meter langen, weit ausladenden Zweige mit den schmalen Blättern im Wind schwingen lässt. Weit und breit gibt es keine vergleichbare Trauerweide.
Dass dieser Baum wegen seiner ökologischen und stadtteilprägenden Bedeutung einen besonders hohen Wert hat und demnach erhaltenswert ist, war auch der Stadt bewusst. Und so wurde der Baum in Presseinformationen des Kommunikationsbüros vom 7.10.2013 und 28.2.2014 herausragend erwähnt: „So kann beispielsweise entgegen ursprünglichen Planungen die stadtbildprägende Trauerweide am Feuerbacher Bahnhof stehen bleiben“ und „Trauerweide bleibt stehen“, hieß es da. Aber Kommunikation ist eben „Geschwätz von gestern“ und so wird im Oktober 2015 plötzlich das Baurecht aus dem Hut gezaubert und wie aus dem Nichts steht die Trauerweide zur Disposition. Diverse Gründe werden dafür vorgeschoben, am wichtigsten ist wohl die Baustelleneinrichtungsfläche. Sprich: Hier soll zwar nicht für S21 gebaut werden, aber es sollen Kräne aufgestellt oder LKWs für S21 abgestellt werden.
Die Feuerbacher Schwabenstreichgruppe hat sich zusammen mit entsetzten Bürgern und Parkschützern aus anderen Stadtteilen Stuttgarts getroffen – jeden Sonntagabend ab 19 Uhr ist im Bistro "Dölapi "am Wilhelm-Geiger-Platz Zusammenkunft – und am vergangenen Dienstag eine eindrucksvolle Demonstration und Mahnwache an der Trauerweide abgehalten. Es wurden Flyer verteilt, um die Bevölkerung auf die Bedrohung des Baumes aufmerksam zu machen. In Telefonaten und Schreiben an Stadtverwaltung und maßgebliche Stellen konnte die Brisanz des Vorhabens deutlich gemacht werden. Ein Artikel in der Stuttgarter Zeitung sorgte für mehr Öffentlichkeit. Artikel hier.
In diesen Tagen ist noch keine Entscheidung gefallen über „Leben oder Tod“ der Trauerweide, ein Fälltermin wurde verschoben. Doch wie lange? Wichtig ist nach wie vor, bis in alle Gremien die Bedeutung der Trauerweide für Feuerbach deutlich zu machen. Und der Stadt zu sagen: Steht zu euerm Wort, das schriftlich durch das Kommunikationsbüro festgelegt ist. Der Baum muss stehen bleiben! Baurecht darf nicht über Grundrecht stehen!
Nach wie vor kann man sich für den Erhalt der Trauerweide einsetzen, indem man mit „Betreff Trauerweide“ an das persönliche Referat des Oberbürgermeisters schreibt : ob.buero@stuttgart.de oder eine Gelbe Karte an das Rathaus schickt: gelbe.karten@stuttgart.de.
Auch am heutigen Sonntag trifft sich die Gruppe „Trauerweide Feuerbach“ wieder um 19 Uhr im Bistro "Dölapi" am Feuerbacher Wilhelm-Geiger-Platz (Haltestelle der U6). Zudem wollen sich alle Schützer der Trauerweide am kommenden Dienstag, 3. November, wieder ab 7:00 Uhr zu einer Mahnwache mit Frühstück an der Trauerweide gleich neben dem S-Bhf.-Ausgang treffen. Jeder ist zur Unterstützung eingeladen. Zeigt, dass die Trauerweide ein Symbol ist für Feinstaubfilter, für Recht auf gesunde Luft in der Stadt und für ein Recht auf lebenswerte Stadt.
Gerade am heutigen kirchlichen Feiertag Allerheiligen ist es passend, sich einen Auszug aus Papst Franziskus` Umwelt-Enzyklika "Laudato si" von 2015 vorzunehmen, worin es heißt: „Es entspricht nicht dem Wesen der Bewohner dieses Planeten, immer mehr von Zement, Asphalt, Glas und Metall erdrückt und dem physischen Kontakt mit der Natur entzogen zu leben … Es ist erforderlich, dass die öffentlichen Plätze, das Panorama und die urbanen Bezugspunkte gepflegt werden. Denn sie lassen in uns den Sinn der Zugehörigkeit, das Gefühl der Verwurzelung und den Eindruck wachsen, „zu Hause zu sein“ innerhalb der Stadt, die uns umschließt und zusammenführt . … Jeglicher Eingriff in die städtische und ländliche Landschaft müsste die Tatsache berücksichtigen, dass die verschiedenen Elemente des Ortes ein Ganzes bilden…“
Wie wahr! Diese Worte der päpstlichen Enzyklika sind in diesen Tagen 100%ig wie für Feuerbach geschrieben.
(Text/Foto: Petra Brixel)
Diesen herrlichen Baum kenne ich gut, u. es ist genau so, wie oben beschrieben: Täglich fuhr ich mit der U6 an ihm vorbei u. freute mich daran – zu jeder Jahreszeit!
Dass Versprechungen nix mehr gelten wissen wir ja inzwischen. Das Ganze Projekt ist so krank u. schändlich, dass man heulen könnte. Horst Stern sagte mal vor vielen Jahren: „Sie kennen den Preis von allem u. den Wert von
nichts“. (Und hierbei kennen sie nichtmal den Preis!)
RA von Loeper soll mit einer einstweiligen Verfügung die Fällung verhindern, bis gerichtlich geklärt ist, wessen Platz das ist. Und gut is.
Zitat …die deutsche Industrie darf nicht so mit der Schöpfung umgehen wie sie es macht… mein Chemielehrer erklärte welche Äußerung ihm ein Radikalenerlassverfahren einbrachte. Lang ists her Winnie
Statt kritisch zu begleiten kann er jetzt damit mal seinen Wahlkampf plakatieren.
Heute waren wir auch in Feuerbach bei der Trauerweide. Bis jetzt steht sie noch,wer weiß wie lang wir sie noch bewundern können.Es wird wahrscheinlich eine Nacht- und Nebelaktion sein und weg ist sie,die Bahn wird diesen gesunden Baum ohne Rücksicht fällen.Da man mit der Oberleitung (zwecks Starkstrom) Schwierigkeiten bekommen kann werden die den Strom einfach abschalten und irgendwelche Lügen verbreiten warum.Irgend eine Ausrede fällt denen schon ein und in “ Lügen “ sind die ja Spitze !!!