Rede von Volker Lösch bei der 250. Montagsdemo

(aktualisierte) Rede von Volker Lösch, Theaterregisseur, auf der 250. Montagsdemo am 8.12.2014

Lösch ©weibergBürgerschaft und Macht

Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter, seit fast fünf Jahren gibt es eine wache und kritische Bürgerschaft in dieser Stadt, die sehr genau beobachtet, was sich in und um Stuttgart herum politisch tut - oder eben nicht tut.
Es ist eine aktive Bürgerschaft, die hinterfragt, interveniert und aufklärt - die kommuniziert, miteinander ins Gespräch bringt, die vernetzt und opponiert - und die mächtig ist.

Es ist die Macht dieser Protestbewegung, die deutschlandweit politische Debatten befördert hat und immer noch befördert, eine Macht, die Themen in den Fokus der Öffentlichkeit bringt, die sonst kleingeredet und vernachlässigt werden. Und es war die Macht dieser Protestbewegung, die eine Landesregierung gestürzt hat!

Diese Macht hat sich als politisches Instrument quasi selbst geschaffen, und sie ist eine ständige Drohung an die herrschende Politik, dass jederzeit neue Protest-Dynamiken entstehen können. Diese Macht ist eine Instanz geworden, und das, liebe zum 250sten mal Montags Demonstrierende, nennt man einen Großerfolg!

Fehler und das Politische

Fakt ist aber auch: bis hierhin, bis heute haben wir, was "S21" betrifft, verloren. Nicht endgültig verloren, aber das ist der Stand der Dinge.

Fakt ist auch, dass wir in den letzten 5 Jahren viele Fehler gemacht haben: einer der größten war das Mitwirken bei einer schon vorher als Betrug feststehenden, manipulierten Volksabstimmung - ein Fehler, der uns heute noch auf die Füße fällt, da diese sogenannnte Volksabstimmung überall als Legitimationsgrund für "S21" angeführt wird.

Das bei vielen grenzenlose Vertrauen, und somit Einlassen auf die Grünen als Vertreter der Bürgerbewegung, war der vielleicht schmerzlichste Fehler. Das Wahlversprechen der Grünen, die Bürgerinnen und Bürger radikal anders und ernsthaft an Politik zu beteiligen, war die größte Lüge dieser inzwischen erschreckend opportunistischen, mit nichts außergewöhnlichem mehr ausgestatteten "Mainstream-Partei", die sich konsequenterweise auf ihrem jüngsten Landesparteitag als die neue Wirtschaftspartei profiliert hat.

Viele Fehler hätten vermieden werden können: wir wussten es aber mehrheitlich einfach nicht besser, oder haben aus Unerfahrenheit und Naivität nicht genug Weitblick gehabt - ich nehme mich, als einer der Wortführer und Mitdenker, da keineswegs aus.

Wir, die Protestbewegung gegen "S21", haben uns kulturell etabliert, wir wissen fachlich sehr viel, stehen moralisch auf der richtigen Seite, aber wir haben das Politische aus den Augen verloren, es ist uns langsam abhandengekommen, fast unmerklich entglitten.
Ich möchte heute darüber reden, wie wir das für unsere Identität unentbehrliche Politische wieder zurückerlangen können.

Tempelhofer Freiheit

Liebe Freundinnen und Freunde, seit Mitte des Jahres lebe ich in Berlin. In dieser wunderbaren Stadt gibt es mit dem ehemaligen Flughafen Berlin-Tempelhof eine riesige Brachfläche - das "Tempelhofer Feld" ist 385 Hektar groß.

Die rot-schwarze Koalition wollte das Gelände an drei Rändern bebauen lassen, bis zu 5000 Wohnungen sollten entstehen, angeblich auch bezahlbare.

Doch beim Volksentscheid Ende Mai stimmte eine deutliche Mehrheit geschlossen - es gab keinen Stimmbezirk, der dagegen war! - für die Erhaltung des kompletten Feldes als Freifläche - ein unglaublicher Erfolg der Berliner Zivilgesellschaft.

Die Berlinerinnen und Berliner haben durchschaut, wem sie die steigenden Mieten, die Verknappung ihres Wohnraums, die Gentrifizierung ihrer Kieze zu verdanken haben: denjenigen, die mit dem grotesken Motto "Gestaltung statt Stillstand" die Bebauung des Feldes erreichen wollten: den Politikern von SPD und CDU, die seit jahren landeseigenes Wohneigentum veräußern, die ausländische Investoren ungehindert ganze Straßenzüge aufkaufen lassen, die Stadtplanung von oben betreiben.

Die BerlinerInnen haben eins und eins zusammengezählt, und den Versprechen der Politik einfach nicht mehr geglaubt. Sie haben ihren Politikern, dem Senat und den Investoren eindrucksvoll gezeigt, dass sie eine andere, eine bürgerorientierte Politik wollen - diese Volksabstimmung war eine kategorische Absage an das Recht des Stärkeren!

Politischer Verdrängungskünstler

Erfolgreicher Widerstand hat also auch etwas mit Glaubensfragen zu tun. Und woran kann man in Stuttgart noch glauben, wem sollte man keinen Glauben mehr schenken?
Das Recht des Stärkeren wird hier derzeit im Rathaus beansprucht, und wer jemals an die Kritikfähigkeit des nicht mehr ganz so neuen OB Kuhn geglaubt hat, wird nun eines besseren belehrt. Kuhn, der noch im Wahlkampf den Stuttgarter Einkaufszentren-Bauwahn gegeißelt hat, ist inzwischen zum kritiklosen Investorenpaten mutiert. Anstatt Schaden von der Stadt abzuwenden, lässt er sich von Konzernen ins Stammbuch diktieren:

  • Statt für Alternativen gegen die Stadtzerstörung zu streiten, schwätzt er bei der "Gerber"-Eröffnung von "Wohnen und Arbeiten", wohlwissend, das sich nur wenige Kaltmieten zwischen 13 und 17 Euro pro Quadrameter leisten können.
  • Statt zu schweigen, schwadroniert er lieber, dass die Stadt ein "elementares Interesse daran hätte, dass es dem Milaneo gut gehe", und setzt somit die Interessen der Shopping-Mall-Vertreter mit denen der Bevölkerung gleich. Da hätte man auch Wolfgang Schuster im Amt belassen können, der hätte es nicht schöner formulieren können!
  • Statt den BahnhofskritikerInnen angemessene Orte für ihren Protest zur Verfügung zu stellen, versucht er als Wortführer für Autofahrer und Konsumenten, den Bürgerinnen und Bürgern, die sich gegen die Stadtzerstörung wehren wollen, ihren angestammten Demonstrationsort zu verbieten.
  • Statt den Bahnhof als den Schwachsinn zu benennen, der er ist (was Kuhn im Wahlkampf noch getan hat), versucht er geschickt, das Vokabular der Protestbewegung zu nutzen, um einen Pseudofrieden zu arrangieren - Zitat Kuhn: "Ich hoffe darauf, dass sich auch Menschen, die den Tiefbahnhof kritisch sehen, an der Diskussion um die bestmögliche Nutzung der frei werdenden Flächen beteiligen“.
  • Statt also den Durchmarsch der Investoren in Stuttgart wenigstens zu erschweren oder zu behindern, lädt er zum "Bürgerdialog" zur Bebauung des Rosensteinquartiers auf dem Gleisvorfeld ein!

Die Antwort

Lieber Verdrängungskünstler Kuhn, ihre Inszenierung ist nicht unklug, aber wir durchschauen sie! Hier bekommen sie die Antwort der Protestbewegung:

Seien sie versichert, dass wir die Fehler der Schlichtung und Volksabstimmung nicht wiederholen werden. Das desaströse Tiefbahnhof-Projekt wird seine vielen Probleme niemals lösen, und an einer Planung, die "S21" zur Voraussetzung erklärt, an einer Planung, die eine Kopfbahnhoflösung ausschließt, werden wir uns nicht beteiligen!

Wir als Protestbewegung haben eine andere Vorstellung von Stadtentwicklung, und wir lassen uns in keine Verfahren einbinden, welche von vornherein auf inaktzeptablen Voraussetzungen basieren! Wir lassen sie also mit ihrem politischen Opportuniusmus allein, der unterstellt, "S21" würde so gebaut werden, wie es die Bahn geplant hat. Sie werden erleben, dass es beim Rosensteinviertel und bei allen anderen Bahnprojekten genauso laufen wird wie bei der Filderanhörung, wo sich die Bahn und das Regierungspräsidium nur durch einen Abbruch, aufgrund der überlegenen Kompetenz der Gegnerinnen und Gegner, haben retten können!

Desweiteren ist ihre Behauptung, die Entwicklung des Rosensteinviertels könne ein Muster für die künftige Stadtentwicklung sein, an Ahnungslosigkeit oder Dreistigkeit, je nach Betrachtungsweise, kaum zu überbieten: es ist mit lediglich 37,7 Hektar bebaubarer Fläche (zum Vergleich: die Stadt Stuttgart hat insgesamt 20.7000 Hektar!) ein isoliertes "Grüne-Wiese-Projekt" - es ist ein Projekt ohne jede repräsentative Relevanz!

Denn solange das Bauen nur den Marktgesetzen unterliegt, solange Boden lediglich Ware ist, solange Konzerne sich zusammenkaufen können was sie wollen, solange Autokonzerne hofiert werden, solange die Kuhn-Politik des Schweigens, des sich Raushaltens und des "unkritischen Begleitens" politische Praxis in Stuttgart ist, solange kann dort, wo neu gebaut wird, eben nichts Urbanes wachsen, nichts Soziales entstehen, nichts Neues entwickelt werden, sondern nur das, was die besten Renditen abwirft!

Solange Kuhn den Kretschmann macht, bleibt alles beim ganz Alten!

Die bessere Alternative

Die Bewegung der Gegnerinnen und Gegner von "S21" hat aber die bessere Alternative. Wir haben "K20", "K21" tausendfach angeboten und beworben, und werden weiterhin mit den besseren Argumenten dafür kämpfen, dass der Rosensteinpark und die Gleisflächen überhaupt nicht bebaut werden! Darüber können sie jederzeit gerne mit uns reden, wir verweigern keinen Dialog, doch wir reden nur über Redenswertes.

Lieber "OB Wendehals", sie können den Ausverkauf der Stadt gerne alleine betreiben: wer so schnell vom kritischen Begleiter (im Geiste des Widerstands gegen den Bahnhof) - zum unkritischen Gleitmittel (in den Windungen des Verdauungstrakts) der Wirtschaft mutiert, dem sei hiermit frei nach Adorno gesagt: Ein richtiges Leben gibt es - auch in Stuttgart - im falschen nicht!

Stuttgarter Freiheit

Liebe Freundinnen und Freunde: die "Tempelhofer Leere" stellt die gegenwärtige Zivilisation infrage, indem sie eine Freiheit ausstrahlt, die nichts mit dem kapitalistischen Verwertungssystem zu tun hat. Es ist der Ausstieg daraus!

Der Kampf um das Tempelhofer Feld hat gezeigt, dass Stadtentwicklung auch anders funktionieren kann, dass sich Bürgerinnen und Bürger die politische Handlungsmacht zurückerobern können.

Wie könnte demnach die "Stuttgarter Freiheit" aussehen? Was können wir von den BerlinerInnen lernen? Wie können wir das Politische wieder mehr ins Zentrum unserer Aktivitäten rücken?

Und damit meine ich mehr, als nur das sich Abgrenzen. Ich meine mehr, als nur das Kritisieren. Ich meine mehr, als das gelegentlich ausschließliche Schmoren im eigenen "Protestsaft".

Politische Arbeit nach außen

Liebe MontagsdemonstriererInnen, es gibt viele Mitbürgerinnen und Mitbürger, die sich - zwar immer noch Gegner von "S21" - resigniert zurückgezogen haben, und es gibt "Proler", die schwankend in ihrer Meinung sind. Wir sollten versuchen, wieder alle anzusprechen und zu erreichen, unsere Bemühungen aktiv und intensiv nach außen richten! "Erreichen" muss zunächst nicht "Mobilisieren" bedeuten, aber wir könnten all diejenigen, die wir vorerst nur erreichen, dann jederzeit an unserer Seite wissen, wenn etwas Überraschendes, Unvorhergesehens passieren sollte.

Und wie kann nun das Politische, das "sich-nach-außen-Wenden" konkret aussehen?
Voraussetzung aller, wieder vermehrt politischen Arbeit ist, dass wir akzeptieren, dass es die ultimative Lösung, dass es das eine, kollektive "Protest-Projekt", mit dem alle Stadtentwicklungsprobleme gelöst werden könnten, oder mit dem "S21" verhindert werden könnte, derzeit nicht gibt. Wir können aber alle wichtigen Fragen durch konkrete Aktionen beantworten:

  • Die Bauarbeiten an "S21" schreiten fort?
    Machen wir der Bevölkerung unmissverständlich klar, dass S-Bahn-Chaos, dass Staus, dass Lärmbelästigung und Dreck hauptsächlich wegen "S21" vorkommen, diese Beeinträchtigungen der Lebensqualität betreffen nämlich alle Einwohner dieser Stadt!
  • Es sollen noch noch mehr verkaufsoffene Sonntage stattfinden?
    Kaufen wir an diesen Tagen nichts mehr ein! Boykottieren wir diese Konsumveranstaltungen!
  • Die nächste Lohnsenkungsspirale für die MitarbeiterInnen bei Karstadt wird schon angeschoben?
    Unterstützen wir die Gewerkschaften, die gegen Lohnabbau streiten, in ihrem Protest! Gehen wir auch auf deren Demos!
  • Der Geschäftsführer der Buchhandlung Wittwer will, dass ihm die Bettler und politischen Kundgebungen vom Hals geschafft werden?
    Kaufen wir also unsere Bücher in Stadtteilläden ein, deren Inhaber nicht so einen Blödsinn erzählen!
  • Die Mieten steigen weiter?
    Unterstützen wir aktiv die Mieter-Initiativen, die für bezahlbaren Wohnraum kämpfen!
  • Der Protest scheint überaltert?
    Gehen wir mit den Protestmaterialien vor die Schulen und in die Universitäten! Sprechen wir konsequent die Jüngeren an!
  • Die Bahnbediensteten wollen trotz Medienschelte weiterstreiken?
    Solidarisieren wir uns mit ihnen! Verteilen wir, wie vor 2 Wochen, die Streikzeitung an Reisende und Bahnbeschäftigte!
  • Der Bau - und Sprenglärm wird unerträglich?
    Machen wir es wie die Wangener, zeigen wir die deutsche Bahn und die entsprechenden Firmen wegen unzumutbaren und körperschädigenden Lärmbelästigungen an!
  • Es sollen in Stuttgart noch mehr "Malls" betrieben werden?
    Boykottieren wir die großen Einkaufszentren, stärken wir den Einzelhandel, verbünden wir uns mit denjenigen, die für eine urbane, nachhaltige und soziale Stadt kämpfen! Unterstützen wir alle Bürgerinitiativen, die dagegen kämpfen, dass unsere Städte von Shopping-Mall-Konzernen und Großinvestoren zerstört werden, denn der Kampf gegen Monsterbauten, gegen ‚Mallifizierung‘, der Kampf gegen "S21" und Stadtzerstörung ist der Kampf gegen dieselben Gegner! Auch die Macher von "S21" sehen die Stadt lediglich als Verkaufs-und Konsummaschine!
  • Demonstrationen reichen nicht aus, um die Zerstörung der Stadt zu stoppen?
    Greifen wir zahlreich und direkt ins Geschehen ein, unterstützen wir die Blockadegruppen durch zivilen Ungehorsam! Gleich morgen früh, am 9.12. um 7 Uhr, ist der Treffpunkt an der Baustelleneinfahrt am Bahnhofsturm!
  • Unsere Bürgerbewegung wirkt angeblich nur noch nach innen?
    Verteilen wir auf Kundgebungen und Demonstrationen Flugblätter an Passanten, auf denen in kurzen Stichworten die Gründe aufgezählt werden, die gegen das Projekt sprechen! Das nicht zu Ende geplante, die Gefährdung der Mineralquellen durch doppelte Grundwasserentnahme, die Schrägneigung des Tiefbahnhofs um das sechsfache bislang genehmigter Werte, das durch "S21" in Stuttgart fehlende Geld für die Instandsetzung der Infrastruktur bei Straßen und Brücken und Tunnel, die Kosten von mindestens 6,8 Milliarden Euro für geringere Zugleistung, die Belästigung durch Baulärm bei den Anwohnern am Nordbahnhof, in Untertürkheim, in Feuerbach sind gewichtige Punkte, die alle interessieren und betreffen, und es werden immer mehr!

Kämpfe verbinden

Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter, tragen wir unsere guten Argumente wieder nach außen, verbinden wir die unterschiedlichen Kämpfe gegen Stadtzerstörung, denn sie meinen dasselbe! Denken wir die Themen zusammen, bringen wir unser enormes Potential ein und stellen wir es anderen Initiativen zu Verfügung! Politisieren wir uns damit neu und nachhaltig im Sinne einer Bürgerbewegung, mit der auch in Zukunft zu rechnen sein wird!
Durch wachsendes Engagement auf verschiedensten Feldern der Stadtpolitik können wir unseren Status als politische Kraft erneuern und ausbauen.

Eine lebendige Stadt ist nur im gemeinsamen Kampf gegen die neoliberalen Stadtzerstörer und gegen "Stuttgart 21" zu haben.

Bündeln wir unsere Energien, erweitern wir unseren Aktionsradius auf neue Felder, und bleiben wir somit dem Kampf gegen "Stuttgart21" auf vielfältige Art und Weise treu!

Es leben die Montagsdemos

Die Mobilisierungserfolge von 2009 bis 2011 sind gegenwärtig nicht zu erreichen, dafür sind wir derzeit zu abhängig vom konreten Verlauf der Bauarbeiten am Projekt.

Potentielle Bruchstellen sind allerdings genügend vorhanden. Sie sind keine Erfindungen von uns, sondern sie existieren! Und wenn eine Bruchstelle brechen, eine Störung eintreten, ein Zwischenfall sich ereignen sollte: Dann kann unsere Bewegung einen sofortigen Aufschwung erfahren! Voraussetzung dafür ist aber, dass der "Multiplikatorenpool Montagsdemo" den Finger am Puls der Stadt behält, um zu erspüren, wo und wann sich "Elektrisierungspotential" entwickelt.

Es ist dafür unentbehrlich, dass unsere Grundaussagen, unsere Basiskritiken immer wieder geäußert werden, dass wir auf der Straße in Form der Montagsdemonstrationen präsent bleiben, dass die Gesamtbewegung zusammengehalten wird, und dass wir unser Protest-Feuer bewahren!

Es leben die Montagsdemos! Es wird in Stuttgart so lange Montagsdemos geben, solange Stadtpolitik nicht für, sondern gegen die Bürgerinnnen und Bürger betrieben wird!

Unübersehbarkeiten

Und mal ganz ehrlich, liebe Freundinnen und Freunde, wer glaubt denn hundertprozentig und ernsthaft daran, dass "S21" in der vorgestellten Form jemals existent werden wird? "Kassandra Kuhn" sagt: „Es ist unübersehbar, dass das Projekt beschlossen ist und kommt".

Entschuldigung, lieber Herr "Umfaller" (den viele in Stuttgart unter anderem auch deswegen gewählt haben, damit "S21" weiter infrage gestellt wird) - was ist denn daran "unübersehbar"? Dieses Kuhn'sche "unübersehbar" erinnert an Kretschmanns "der Käs is gesse" und Merkels "alternativlos" - unübersehbar ist in allen drei Fällen vor allem das bescheidene rhetorische Talent!

Wir zeigen hiermit, was wirklich unübersehbar ist:

  • Unübersehbar ist, dass Baumanager und Ingenieure, die um ihr berufliches Ansehen fürchten, einer nach dem anderen das Projekt verlassen, in leitender Funktion bisher 4 an der Zahl!
  • Unübersehbar ist, dass auch sonst niemand beruflich mit "S21" identifiziert werden möchte!
  • Unübersehbar ist, dass der vereinbarte Kostenrahmen definitiv nicht einzuhalten ist!
  • Unübersehbar ist, dass die Erörterung zum Planfeststellungsabschnitt 1.3. (Filderbahnhof) in krasser Weise zeigt, dass die Deutsche Bahn AG das Projekt nicht im Griff hat!
  • Unübersehbar ist, dass es mit "S21" keine Leistungsverbesserung geben wird!
  • Unübersehbar ist, dass noch immer kein akzeptables Brandschutz- und Sicherheitskonzept für den Tiefbahnhof und den Fildertunnel existiert!
  • Unübersehbar ist, dass die Rechtmäßigkeit der Mischfinanzierung immer noch nicht geklärt ist!
  • Unübersehbar ist, dass der Tiefbahnhof immer noch das 6-fache der zulässigen Gleisneigung aufweist!
  • Unübersehbar ist, dass die Tunnelbohrmaschine in Möhrignen seit Monaten stillsteht!
  • Unübersehbar ist, dass die Hochtransportbänder am Charlottenplatz noch nie in Betrieb waren!
  • Unübersehbar ist, dass eine funktionierende Baustelle so einfach nicht aussieht!
  • Unübersehbar ist, dass der Mythos des "es gibt kein Weg zurück" der einzige ist, der dieses Projekt noch vorantreibt!
  • Unübersehbar ist, dass der der Ausstieg aus "Stuttgart 21" immer noch möglich, machbar und zwingend erforderlich ist!
  • Und unübersehbar - und unüberhörbar - ist, dass wir weiterhin für diesen Ausstieg kämpfen werden!

Oben bleiben

Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter, der Transrapid hat 1,5 Milliarden gekostet, bis das Projekt eingestellt wurde. Für die WAA Wackersdorf wurde mehr als eine Milliarde Euro ausgegeben, gebaut wurde nichts. Der "Schnelle Brüter" in Kalkar hat 3,7 Milliarden Euro verschlungen, auch damit wurde nichts erreicht. Und der Berliner Großflughafen kostet monatlich 20 Millionen Euro, das sind über 600.000 Euro täglich!

"Stuttgart21" hat bisher weniger gekostet. Und ich bleibe auch im fünften Jahr bei meiner Prognose, dass der Tiefbahnhof nicht wie geplant gebaut werden wird.

Denn der Abbruch eines sinnlosen und destruktiven Pprojekts wird bei all den Problemen, die auftreten werden, (selbst bei einer unwahrscheinlichen Fertigstellung), immer eine verlockende, und letztlich die bessere Alternative sein!

Liebe BestreiterInnen dieses beispiellosen Jubiläums: eines Tages werden wir keine Jubiläumsmontagsdemo mehr feiern, denn dann werden die Montage neu gezählt werden, und zwar nach den Jahren, die nach dem Zeitpunkt des Scheiterns von "S21" vergangen sein werden. Und dann wird es heißen: "Wir sind oben geblieben!" oder "Wir blieben oben!" oder "Oben geblieben!"

Und unten - ganz unten wird dann kein Bahnhof sein, sondern ein riesengroßes, ein leeres Bauloch gähnen, mit all dem, was unten ursprünglich war: Erde, Grundwasser und Mineralquellen.

Das "Milaneo" könnte man dann da unten reinentsorgen, desweiteren die Pläne der neoliberalen Stadterneuerer, die Profithoffnungen der Stadtverschandelungsinvestoren, und die geilen Karrierewünsche der vielen Lobbypolitiker.

Alles rein ins Loch, ganz nach unten damit, zuschaufeln und nie wieder aufmachen! Das wird dann als das gruseligste Loch der Republik die schwäbische Touristenattraktion: "Das Arsch-Loch von Stuttgart"!

Genauso wird es kommen, liebe Leute, freut euch drauf!

Denn wir werden - oben bleiben!

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6 Antworten zu Rede von Volker Lösch bei der 250. Montagsdemo

  1. Rainer sagt:

    Die „politische Arbeit nach außen“ könnte ja auch noch bedeuten, dass man versucht in Die Linke einzutreten um den Protest ins Parlament zu tragen. Da sind die S21-Befürworter wohl am empfindlichsten.

  2. Thomas Schütze sagt:

    …wenn es nur mehr solch aufrichtige und durchblickende POLITIKER gäbe vom Stile Volker Lösch´s, dann wäre unsere „Demokratie“ wieder das, was der Name eigentlich verspricht! Freiheit gibt es hierzulande nur für Investoren und Superreiche, aber die dumpfe Masse merkt es nicht und lässt ihre Emotionen lieber durch RTL befriedigen; Nachdenken tut halt schon sehr weh, besonders wenn man heute in die politische Landschaft blickt…
    Volker Lösch for President!!

  3. M.G.-B. sagt:

    Der Eine sagt „kritisch konstruktiv begleiten“ u. „Mehrheit statt Wahrheit“ (also statt Fakten)! Der Andere will „der Bahn auf die Finger schauen“. Arme Grüne, mit 2 so stromlinienförmigen Köpfen! Dabei sind das eigentlich klare Ansagen, die wir Bürger leider nur immer wieder falsch verstehen. Denn es heißt ja lediglich: Zusehen. Und nix machen. Das aber kraftvoll!!
    Lernen wir also den PolyTücker-Sprech verstehen!
    Unsere Köpfe + Bahnhof werden OBEN BLEIBEN!

  4. DB V200 sagt:

    Ekelhaft.

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