Aufruf des AK Jura zum Wasserwerfer-Prozess

Aufruf: Kommen Sie in den Gerichtssaal!

Der AK Jura der Parkschützer ermuntert alle Betroffenen des Schwarzen Donnerstags, den Wasserwerfer-Prozess selbst und vor Ort zu verfolgen. Diese Ermunterung richtet sich an alle, die am Schwarzen Donnerstag verletzt und traumatisiert wurden, aber auch an diejenigen, die voller Entsetzen waren und sind, deren Empörung noch immer vorhanden ist. An alle, die sich nicht vorstellen konnten, dass dieser Polizeieinsatz so ablief, wie er ablief mit all seiner Brutalität. Wir ermuntern alle, denen es möglich ist und auch alle, die sich dafür extra Zeit nehmen müssen: Kommen Sie zum Gericht und hören Sie sich an, was die Angeklagten sagen, wie sie es sagen und was sie nicht sagen. Und schauen sie Ihnen in die Augen, auch wenn es vielleicht schwer fällt.

Alle, die wir mehr oder weniger vom Schwarzen Donnerstag betroffen sind, sollten uns im Rahmen unserer Möglichkeiten solidarisch mit den Nebenklägern und ihren Vertretern zeigen, in dem wir dem Gericht vor Augen führen, dass es in unser aller Interesse ist, mitzuverfolgen, was hier verhandelt wird. Die Nebenkläger stehen hier stellvertretend für uns alle im Prozess und es ist für diese Menschen kein leichter Gang. Also, fassen Sie sich ein Herz, nehmen Sie sich die Zeit. Es ist für uns alle wichtig. Und bitte bedenken Sie auch:

Dieses Verfahren sowie der zweite Untersuchungsausschuss, den wir im Wesentlichen der akribischen Arbeit von Juristen zu verdanken haben, hat bundesweite Bedeutung für andere Bewegungen, sei es gegen Nazis, gegen Braunkohle, Atomkraft, Gentechnik etc. Diese Bewegungen blicken sehr genau nach Stuttgart. Das sollten wir uns in diesem Zusammenhang bewusst machen. Stuttgart 21 ist keine Insel, hat kein Alleinstellungsmerkmal. Es ist aber unser Thema, weil es unsere Heimatstadt betrifft. Und solch ein Polizeieinsatz darf sich nie mehr wiederholen – nirgends.

Verhandlungstermine

Die Verhandlungstermine sind hier auf BAA im Infokasten ganz oben aufgelistet. Die Termine stehen auch jede Woche auf dem Aktionswochenflyer. Und es gibt eine Terminübersicht bis Dezember 2014 (als PDF-Datei). Montags-, Dienstags- und Freitagstermine sind jeweils halbe Tage (9-13 Uhr), nur der Mittwoch ist immer ein ganzer Sitzungstag (9-17 Uhr). Ihr könnt auch später dazukommen und Euch in den Sitzungssal setzen; ebenso könnt Ihr auch vorzeitig wieder gehen.

Was bisher geschah ...

Am Dienstag, dem 24.06., hat der erste Prozesstag im sogenannten Wasserwerferprozess stattgefunden. Am Mittwoch war der Fortsetzungstermin. Der erste Prozesstag endete nach der Verlesung der gemeinsamen Einlassung der beiden Angeklagten durch den Verteidiger RA Dr. Hohmann. Diese Stellungnahme wurde sowohl dem Gericht als auch allen Prozessbeteiligten in Schriftform übergeben. Darauf hat die vorsitzführende Richterin (wir befinden uns hier vor der 18. Großen Strafkammer des Landgerichts Stuttgart) die Verhandlung unterbrochen mit dem Hinweis, dass sich das Gericht mit dieser Stellungnahme befassen will.

Der zweite Verhandlungstag stand ganz im Zeichen der Befragung der Angeklagten. Die beiden angeklagten Polizeibeamten hatten sich ausdrücklich bereiterklärt, sich befragen zu lassen.

Die vorsitzführende Richterin hat dabei vorgeschlagen, dass die Ereignisse Tag für Tag abgearbeitet werden. Es handelt sich dabei um die Tage 28./29. und 30.09.2010. Der 28. und der 29.09.2010 wurden dabei ausführlichst erörtert (wann wurde der Auftrag wem erteilt; Umfang des Auftrags, Gespräche/Besprechungen in Stuttgart und Böblingen; zeitlicher Ablauf). Insbesondere die vorsitzführende Richterin hat hier immer wieder nachgehakt und Vorhaltungen gemacht. Jede/r Prozessbeteiligte hatte Fragerecht und hat davon auch Gebrauch gemacht, also auch die Anwälte der Nebenklage. Es gab auch einige Begrifflichkeiten der Polizei zu klären.

Bereits nach der verlesenen Einlassung der Angeklagten war klar, dass sich beide nicht gegenseitig beschuldigen werden, dass aber die Verantwortung ganz offensichtlich auf Herrn Polizeipräsident a.D. Stumpf abgewälzt wird. Die Befragung am Mittwoch endete gegen 15:00 Uhr – beim Themenkomplex 30.09. um 10:30 Uhr, also mit Eintreffen einer der beiden Polizeikolonnen am Hotel Graf Zeppelin. Es wird also spannend, die Erklärungen und Erörterungen der beiden Beamten zum Verlauf des 30.09. zu hören.


Organisatorisches

Die Einlasskontrollen sind vielleicht aus unserer Sicht als überflüssig zu bezeichnen. Die vorsitzführende Richterin hat jedoch das Hausrecht und sie bestimmt die Regeln. Diese Regeln wurden heute Morgen ausdrücklich dahingehend korrigiert, dass Schreibutensilien erlaubt sind. Die vorsitzführende Richterin besteht darauf, dass in den Zuschauerreihen ein Mindestmaß an Respekt und Anstand eingehalten wird, was konkret bedeutet, dass sie ein Raunen, Unmutsäußerungen oder gar Zwischenrufe nicht duldet. Sie hat heute sehr deutlich klargemacht, dass es respektlos ist, wenn während der Verhandlung geschlafen wird, oder wenn man die Füße auf den Stuhl packt.

Beim Einlass muss man alles abgeben bis auf Schreibutensilien und Personalausweis. Taschentücher und auch Hustenbonbons konnten ebenfalls mit in den Saal genommen werden. Die abgegebenen Sachen kommen in einen bewachten Schrank; man bekommt eine Marke und die Sachen werden anstandslos wieder herausgegeben. Allerdings wurden alle Prozessbeobachter/-innen einer Leibesvisitation unterzogen. Dies kann man lächerlich finden, man kann es aber auch einfach mal mit Humor nehmen und das kurze Prozedere über sich ergehen lassen. Jedenfalls bin ich der Ansicht, dass dies absolut zu verschmerzen ist. Weshalb diese Maßnahme durchgeführt wird, erschließt sich nicht, sie existiert aber nun mal.

Sybille vom AK Jura


Hier noch ein paar interessante Links zum Thema:

Zur Einführung in den Prozess von Dieter Reicherter in der KONTEXT-Wochenzeitung

Ein beachtenswerter Kommentar im SWR2

Erster Bericht sowie zweiter Bericht vom ersten Verhandlungstag (Stuttgarter Zeitung)

Bericht zweiter Verhandlungstag Stuttgarter Zeitung

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3 Antworten zu Aufruf des AK Jura zum Wasserwerfer-Prozess

  1. Sebastian sagt:

    Die Einlasskontrollen sollen einen fairen und ungestörten Prozessablauf ermöglichen. Selbst wenn die Mitglieder der BI kein Interesse an einer Störung haben, so haben in der Vergangenheit viele Gruppen gezeigt, dass sie fremde Themen und Presseaufmerksamkeit gerne für ihre Propaganda ausnutzen (z.B. NPD/AfD). Im Interesse aller Prozessbeteiligten und ernsthaft Prozessinteressierten sollte das möglichst vermieden werden.

  2. Leselotte sagt:

    Aus dem Archiv des Petitionsforums des Bundestages:
    >Polizei – Begrenzung der Wirkungsweise von Wasserwerfern vom 06.10.2010Welche Verletzungen ein Wasserwerfer anrichten kann, ist den Sicherheitsbehörden seit Jahrzehnten bekannt. In einem vertraulichen Seminarbericht für die Polizeiführungsakademie aus dem Jahr 1987, der der taz vorliegt, erklärt ein Beamter: Sogar Polizisten, die sich als Versuchspersonen vor die neuen Wasserwerfer stellten, hätten bei Tests „anfangs Blutergüsse und Prellungen“ erlitten. Er warnt: „Bei Wassereinsatz im Bereich ca. 10 m mit vollem Druck sind Körperverletzungen durch direkte Strahlwirkung zu erwarten […].“

    __________________

    Im Archiv des Polizeitechnischen Instituts in Münster liegt zudem ein Gutachten zur Verletzungsgefahr durch Wasserwerfer. Lesen darf man es nicht. Eine taz-Anfrage lehnte das zuständige Büro der Innenministerkonferenz ab. Begründung: Das Gutachten sei zwar nicht als geheim eingestuft, aber auch nicht explizit freigegeben.

    Auch hochrangige Polizisten plädieren inzwischen dafür, Wasserwerfer zurückhaltend einzusetzen. So schrieb ein Berliner Polizeidirektor 2007 in einer Analyse über Blockaden von Neonaziaufmärschen: „Gegen überwiegend friedliche Blockadeteilnehmer ist der Einsatz des Wasserwerfers unverhältnismäßig.“ Er komme nur infrage, wenn die Gruppe der Blockierer „ganz überwiegend aus Gewalttätern“ bestehe und zudem „mit Steinen und Flaschen“ nach den Einsatzkräften werfe.

    Bereits in den 80er Jahren nach den ersten schweren Verletzungen von Demonstranten verschärften die Behörden die Polizeidienstvorschrift 122 zum Einsatz von Wasserwerfern. Zwar darf die Polizei weiterhin „Wasserstöße“ auf „Störer“ oder „Gewalttäter“ abgeben, doch ausdrücklich wird gewarnt: „Hierbei ist darauf zu achten, dass Köpfe nicht getroffen werden.“ <

  3. Leselotte sagt:

    Nach 06.10.2010 fehlt ein bisschen Text:
    < Nr. 14351

    https://epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2010/_10/_06/Petition_14351/forum/Beitrag_100461.$$$.batchsize.10.a.u.tab.1.html

    Es gab 231 Diskussionsbeiträge (einige Löschungen)

    U.a. folgende Zitate:

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