Rede von Frank Schweizer, Netzwerk Kernerviertel, auf der 179. Montagsdemo am 8.7.2013
Anhörung zur 7. Planänderung zu Stuttgart 21 (GWM)
Liebe Freunde und Freundinnen des Kopfbahnhofs!
Als Bewohner des Kernerviertels habe ich mit anderen Mitstreitern das Netzwerk Kernerviertel gegründet. Inzwischen haben sich weitere Netzwerke gebildet: am Killesberg, in Wangen und Untertürkheim und in Gablenberg. Wir sind im gewissen Sinne Lobbyisten, doch zunächst geht es uns um den Kopfbahnhof und nicht um unser Stückle.
Wir wollen die Eigentümer, unter deren Grundstücken die insgesamt mehr als 60 Kilometer Tunnel in Stuttgart gebaut werden sollen, über die Risiken informieren, die sich für sie als Folge der Tunnelbauten für das unsinnige Projekt Stuttgart 21 ergeben könnten.
Es geht nun darum, wer diese Risiken in Zukunft tragen soll.
Immer mehr Eigentümer werden nun aufgefordert, sog. Gestattungsverträge zu unterschreiben, die einmal die Voraussetzung für die Eintragung der Rechte zum Bau und Betrieb der Tunnel schaffen sollen, die aber darüber hinaus ein Reihe gravierende und unfairer Verpflichtungen enthalten. Diese Verträge und die darin angebotenen Entschädigungen, kann man allenfalls als Aufforderung an die Eigentümer verstehen, für ein Linsengericht die Souveränität über ihr Grundstück an die DB Netz AG abzutreten. Doch wir Haus- Wohnungs- und Grundbesitzer wollen uns die Souveränität über unser Eigentum nicht für eine unfaire Risikoverteilung und ein Nasenwasser abhandeln lassen.
Die angebotenen Verträge kann man nur als eine dreiste Zumutung einstufen, weil die DB Netz AG alle Verantwortung auf die Eigentümer ablädt und dann von ihnen auch noch die Beweisführung bei eventuellen Schäden einfordert. So nicht!
Wer zählt noch die Planänderungen des „bestens geplanten Projekt“ Deutschlands oder Europas oder gar aller Zeiten. Viele von uns haben gegen die 7. Planänderung Einwendungen erhoben. Diese 7. Planänderung im Planfeststellungsabschnitt 1.1 soll der DB Netz AG erlauben statt bisher ca. 3,2 Mio. cbm nunmehr über 8 Mio. cbm Grundwasser abzupumpen und wieder in den Untergrund einzuleiten. Was wird passieren wenn diese gigantischen Wassermengen in einem sensiblen Untergrund im Kreislauf geführt werden sollen ? Unsere Einwendungen beziehen sich besonders auf diesen Aspekt. Als Eigentümer haben wir die Möglichkeit, nicht nur Einwendungen zu erheben sondern aufgrund unserer konkreten Betroffenheit zu klagen.
Vergleicht man die vollmundigen Ankündigungen, die dem gutmütigen Bürger vorgetragen wurden, damit er bei der Volksabstimmung zukunftsgläubig sein NEIN-Kreuzchen machen konnte, dann ist es wohl nicht übertrieben, wenn man dieses unfertige Großprojekt als den bisher größten planerischen Missgriff bezeichnet.
Die Projektbetreiber und ihre Planer haben schon bei der legendären Schlichtung nicht überzeugen können. Bei der Erörterung im Januar 2012 zur 2. Planänderung wurden viele Fragen nicht befriedigend beantwortet. Doch dafür wurden Neuplanungen, z.B. für die sogenannte Wendekaverne, aufgetischt. In ihr soll die Tunnelbohrmaschine, die vom Filderportal her kommend die eine Röhre gebohrt hat, so „gewendet“ werden, dass sie die von unten nach oben die zweite Röhre bohren kann. von denen noch niemand weiß ob sie , wie dargestellt und diskutiert realisiert werden sollen. Über ihre genaue Lage weiß man bis jetzt nur soviel, dass sie nach dem Bohren des Querschnitts festgelegt werden soll, wenn die geologischen und felsmechanischen Verhältnisse bekannt sind. Inzwischen hat das Eisenbahnbundesamt die 2. Planänderung genehmigt - für einen Fildertunnel, der nicht nur durch potentiell – bei Zutritt von Wasser – quellfähiges Gebirge führt, sondern zudem im Brandfall zur Falle für die Fahrgäste und Personal wird.
Nächsten Montag am 15. Juli 2013 wird die nächste Erörterung stattfinden, und zwar zum Thema Grundwassermanagement im Talkessel und den Bereichen vom Bahnhof nach Feuerbach und nach Bad Cannstatt.
Nachdem 4.000 Bürger Einwendungen erhoben haben, musste dafür das Apollo-Theater in Möhringen angemietet werden.
Die Netzwerke haben sich wie andere gegen diesen Termin gewandt, obwohl er eigentlich längst überfällig war. Denn wie so oft, hat sich die DB Netz AG viel Zeit gelassen, andererseits aber nun eine eigene Stellungnahme zu den Einwendungen und zur Geotechnik so kurzfristig vorgelegt, dass eine vernünftige Vorbereitung kaum möglich war und auch sowohl die Stadt als auch das Landesamt für Geologie ihre Stellungnahmen dazu ganz offensichtlich aus Zeitgründen noch nicht abgegeben haben.
Kommt alle und hört Euch an, wie die DB Netz AG und ihre Experten die Entnahme von Millionen Litern von Grundwasser rechtfertigen wird und wie sie dieses Wasser ohne jeden Schaden für das Mineralwasser und die Gebäude vor dem quer über’s Tal liegenden Bahnhofstrog abpumpen und danach wieder in den Untergrund drücken will.
Am nächsten Montag wird zuerst die Problematik Wasserwirtschaft erörtert werden. Ich zweifle daran dass die Experten nachweisen können, dass das abgepumpte Wasser wirklich wieder infiltriert werden kann. Als zweites Thema am Montag sollen die Geotechnik und Geologie behandelt werden Mal sehen wie gut diese Experten treffen, wenn sie aus der Hüfte schießen müssen.
Für die Eigentümer spielen vor allem die Risiken, die sich aus dem Tunnelbau ergeben, eine sehr große Rolle. Wir haben eine gutachterliche Stellungnahme über diese Risiken gefordert. Der Umweltminister und die Stadt Stuttgart haben uns in diesem Punkt nachdrücklich unterstützt.
Im März 2013 hat die DB Netz AG dann schließlich zwei Dokumente von insgesamt 240 Seiten publiziert, verfasst von den hauseigenen Planern aber nicht von der DB Netz AG unabhängigen Experten.. Nach gründlicher Lektüre haben wir darin viele detaillierte Informationen gefunden. Eine Abschätzung der Risiken für die Gebäude wurde nicht vorgenommen.
Am Dienstag kommen die Themenkomplexe Lärm und Erschütterungen dran. Mir wurde bereits bei der Verhandlung beim Verwaltungsgerichtshof im Jahre 2005 bescheinigt, dass ich jeden Zug unter unserm Haus spüren würde. „Aber nur in zumutbarem Umfang“ so die wörtliche Aussage des Emissionsexperten. Ich freue mich heute schon auf die unendlichen Vibrationen.
Am Dienstag stehen auch der Komplexe Natur und Landschaft auf der Tagesordnung. Vielleicht werden wir dann erfahren, wieviel von unserm Park noch dran glauben muss.
Am Mittwoch werden die Themen Eigentum und Haftungsfragen aufgerufen. Das könnte die Stunde der geschmähten Egoisten werden, denen es ja anscheinend nur ums Geld geht. Aber es geht um mehr, nämlich um Sicherheit und eine faire Lastenverteilung.
In München wurden die Tunnelwände beim S-Bahn Bau so dick bemessen, dass die darüber liegenden Grundstücke im Rahmen des Baurechts weiterhin genauso genutzt werden konnten wie vor dem Bau der S-Bahn. Beim S 21 Projekt wurden aber die Tunnelwände abgespeckt, um Kosten zu sparen. Dafür werden den Grundeigentümern unzumutbare Auflagen gemacht, wenn sie den Gestattungsvertrag der DB Netz AG unterschreiben. So will die DB Netz AG nur den Teil eines Grundstücks entschädigen, der von dem Tunnel unmittelbar unterfahren wird; die abverlangten Einschränkungen sollen aber zusätzlich für einen sogenannten Schutzstreifen von 6m auf beiden Seiten der Tunnelröhren gelten.
In den vergangenen Monaten wurde viel über einen finanziellen Risikopuffer und dessen Endlichkeit publiziert. Die Gebäuderisiken sind nicht beziffert und damit gibt es keinen finanziellen Puffer in Rahmen der Projektfinanzierung. Es ist aber zu erwarten, dass am Ende mit vielen Tricks bei den Entschädigungen für Gebäudeschäden gespart werden soll.
Das gilt auch für die Kompensationszahlungen für die Benutzung unserer Grundstücke. Doch die Kosten für die Kompensation, die mit dem Eingriff in fremdes Eigentum anfallen, sind real. Der Kostenansatz der DB Netz AG ist jedoch unrealistisch. Die Beträge, die die Landsiedlung den Eigentümern anbieten darf , sind geradezu lächerlich im Vergleich zum erwarteten Vermögensverlust. Eigentum verpflichtet, steht im Grundgesetz. Aber: „Sonderopfer von unmittelbar betroffenen Eigentümern müssen kompensiert werden“, sagte Prof. Ferdinand Kirchhoff am Tag des Eigentums von Haus und Grund am 22. Oktober 2011.
Falls der Vermögensschaden nicht ausgeglichen wird, werden wir klagen. Diese Kosten sollten ebenfalls in die Projektkosten eingestellt werden.
Wir Eigentümer pochen darauf, dass alle grundstücksbezogene Kosten die der Bau und der Betrieb der Tunnels verursachen, beziffert werden. In Euro und Cent müssen diese Risiken in die Projektfinanzierung einfließen.
Und schließlich sollen am Mittwoch noch verkehrliche Belange, Planrechtfertigung und Finanzierung erörtert werden.
Stuttgart 21 ist ein Rückbau und eine Verschlechterung des Schienenverkehrs am Knoten Stuttgart.
Die Planrechtfertigung hat bisher die Verwaltungsjuristen nicht interessiert. Das ist allein die Sache der Projektträger und wurde deshalb von keinem Gericht hinterfragt. Dennoch wird behauptet, das Projekt wäre von allen Instanzen abgesegnet worden. Doch der Segen der Gerichte beschränkte sich auf das Formale des Projektes. Um die technischen Fakten des Projektes hätten die Gerichte neutrale Experten als Obergutachter bestellen müssen. Das ist nicht geschehen. Das Projekt wurde lediglich ohne externen neutralen Sachverstand formal abgenickt.
Nach dem Gesetz muss die DBNetz AG ein Enteignungsverfahren einleiten, wenn ein Eigentümer nicht zustimmt. Das dauert aber. Dafür kann die DB Netz AG eine vorzeitige Besitzeinweisung verlangen. Das macht Mühe. Also schickt die Landsiedlung im Auftrag der DB Netz AG den betroffenen Eigentümern einen Brief , damit sie einen sogenannten Bauerlaubnisvertrag unterschreiben. Eine Rechtsgrundlage dafür: Fehlanzeige. Dreister geht es nicht mehr. Es stehen Wahlen an. Fragen Sie die Kandidaten, ob sie selbst so einen Vertrag unterschreiben würden.
Die Landsiedlung - im Eigentum des Landes und der Stadt - in Kumpanei mit einer AG im Eigentum des Bundes versuchen die, die Grundrechte von Eigentümern auszuhebeln, nur um eine unrealistische Kostenschätzung zu rechtfertigen. Aber nicht mit uns.
Wo bleibt die oft angekündigte Feststellungsklage, die die DB Netz AG zwingen würde, endlich alle Kosten auf den Tisch zu legen? Die Rechenspielchen, mit denen die Aufsichtsräte eingelullt wurden, um weitere Milliarden für das unsinnige S 21-Projekt zu genehmigen dürfen nicht fortgesetzt werden. Ich frage die Projektträger: Wie hätte die sogenannte Wirtschaftlichkeit des Projekt-Ausstiegs ausgesehen, wenn die Stadt Stuttgart der DB Netz AG zehn Jahre Zeit gegeben hätte, um das unsägliche Grundstücksgeschäft mit dem Gleisbereich rückgängig zu machen?
Mit den Amerikanern wurden viele Cross-border-leasing Geschäfte rückabgewickelt. Unter deutschen Projektpartner ist die Rückabwicklung unvernünftiger Finanztransaktionen offenbar nicht möglich oder nicht gewollt. Bei der Kostenexplosion des Drohnenprojektes ging das schließlich auch.
Leider wollen die Kandidaten, die in den Bundestag gewählt werden wollen, das Thema Stuttgart 21 totschweigen. Es geht aber nicht nur um einen Bahnhof oder um das Mineralwasser oder um ein Projekt, das sich niemals rechnet. Es geht auch um das System S 21.
Dieses System kreiert Gesetze wie z.B. zur Suche eines Endlagers für hochradioaktiven Abfall, das nur kurzfristig ,d.h. bis zur Bundestagswahl, als Beruhigungsmittel verabreicht wird.
Dieses System verspricht den Kleinsparern sagenhafte Zinsen, für die Geldanlagen in Stromtrassen. Die Rendite bezahlt der Anleger als Stromverbraucher. Das ist Volksverdummung pur.
Wählen oder nicht Wählen das ist jetzt die Frage.
Aber eins ist klar: Wir bleiben oben.
„… Wählen oder nicht Wählen … ist keine Alternative! (Jedenfalls solange im Parlament keine leeren Stühle für die Partei der Nichtwähler aufgestellt werden.)
Es ist vielmehr Wahlpflicht angesagt. D.h. vorzugsweise abwählen. Auf jeden Fall so wählen, dass der Filz abgebaut wird. Demokratie lebt vom Wechsel.
Bindung an eine bestimmte Partei ist überholt. So leicht, wie die Politiker ihre Meinung wechseln, sollte der Wähler zwischen den Parteien wechseln.
Dem unberechenbaren Politiker sollte der unberechenbare Wähler gegenübertreten.
Die wirklich Mächtigen im Land stehen sowieso nicht zur Wahl, also lasst uns wenigstens regelmäßig die Regierung auswechseln und den Verfilzungsprozess stören.
In der Tat: Nicht wählen ist einen Illusion, denn auch der Nichtwähler wählt dennoch mit – nämlich genau die Partei, die er am allerwenigsten wählen würde, würde er denn wählen. Das ist Standardwissen in der Politologie, und ich begreife nicht, warum das Nichtwählen selbst von renommierten Leuten wie Harald Welzer (im Spiegel) als Alternative angepriesen wird. Nicht zu wählen ist saudumm, sonst gar nichts.