Zusätzliche Fotos von Thomas Igler/FlügelTV
Stuttgart, 16. Oktober 2012: Ab 9 Uhr findet heute im Amtsgericht Stuttgart eine Gerichtsverhandlung statt, bei der Parkschützer Dominik Blacha mit einer absurden Anklage konfrontiert ist. Obwohl er angekettet war, wird ihm Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vorgeworfen.
„Ich war angekettet und konnte mich kaum bewegen. Wie hätte ich mich da gegen Polizeibeamte wehren sollen?“, sagt Parkschützer Dominik Blacha. „Ich habe meinen Protest in dieser Nacht entschlossen und friedlich zum Ausdruck gebracht und gegen die unnötigen Baumfällungen und das illegale Treiben der S21-Projektträger protestiert. Wie man sieht, haben sich unsere Warnungen bestätigt: Der Schlossgarten wurde zerstört, aber die Bahn kann den unterirdischen Bahnhof aufgrund der geologischen Risiken und mangels Brandschutz-Konzept gar nicht bauen.“
Es war bereits Anfang des Jahres bekannt, dass die Bahn wegen der fehlenden Planfeststellung beim Grundwassermanagement nicht weiterbauen kann. Erst kürzlich hat der Gemeinderat der Stadt Stuttgart die 11. Änderung der Planfeststellung für den unterirdischen Bahnhofstrog verboten, um das Mineralwasser zu schützen. Stuttgart 21 kann auf der aktuellen Grundlage nicht gebaut werden, weil die Bahn aufgrund dieser Ablehnung den Bahnhofstrog statisch nicht in Griff bekommt.
Bei der Parkräumung in der Nacht zum 15. Februar 2012 war Dominik Blacha zusammen mit einem Aktivisten von Robin Wood in einem Betonfundament im Schlossgarten angekettet, um gegen das Immobilien- und Beton-Projekt Stuttgart 21 zu protestieren. Nach drei Stunden konnte er von der technischen Einheit der Polizei gelöst werden.
Der Strafbefehl ist auf 90 Tagessätze à 40 Euro, also einer Geldstrafe von 3600 Euro, festgesetzt. Der Tatvorwurf des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte (§113 StGB) setzt jedoch Gewalt, Androhung von Gewalt oder einen tätlichen Angriff voraus, die bei dieser Aktion des passiven Widerstands nicht gegeben sind.
Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft geht gegen S21-Gegner besonders hart vor, während Tatvorwürfe gegen Projektbetreiber und Polizei verschleppt oder eingestellt werden.
Dieter Reicherter, Richter a.D. bemängelt: „Die Waagschale der Justiz ist aus dem Gleichgewicht geraten. Es darf in einem Rechtsstaat nicht sein, dass die S21-Gegner, die auf ein Unrecht hinweisen, härter bestraft werden als die Projektbetreiber, die das Unrecht zu verantworten haben. Beim Projekt Stuttgart 21 gibt es viele Hinweise auf Rechtsbrüche (siehe Seite 2), für die sich bisher niemand verantworten musste. Die Gerichte sollten dies erkennen und das Gleichgewicht wieder herstellen.“
Der Verhandlungstag des Robin-Wood-Aktivisten ist am 26.11.2012 im Stuttgarter Amtsgericht.
Hintergrundinformationen zu Rechtsbrüchen bzgl. Stuttgart 21:
- Dem Großprojekt Stuttgart 21 ist die Grundlage entzogen, seit die Überprüfung der früheren Leistungsfähigkeitsgutachten erbrachte, dass der neue Großbahnhof auf lediglich 32 Züge pro Stunde ausgelegt worden war. Der alte Kopfbahnhof fertigt heute wie schon 1996 rund 38 Züge in der Spitzenstunde ab und hat eine bestätigte Kapazität von 50 Zügen. Damit ist S21 ein genehmigungspflichtiger Rückbau, die Planrechtfertigung ist entfallen. (siehe WikiReal.org)
- Die Finanzierung des Projekts ist verfassungswidrig, da Bundesländer keine Aufgaben des Bundes übernehmen dürfen. (siehe Verfassungsbeschwerde von Dr. Eisenhart von Loeper, Sprecher des Aktionsbündnis gegen S21: http://parkschuetzer.de/blog/534)
- Im Schlossgarten wurden am 1.10.2010 Bäume illegal gefällt und Artenschutzgesetze verletzt.
BAA
Stern
- Der brutale Polizeieinsatz am 30.09.2010 ist noch nicht umfassend aufgeklärt und die zahlreichen Anzeigen gegen die politisch Verantwortlichen, die Einsatzleitung und Polizeibeamte werden verschleppt.
Kontext Wochenzeitung
- Lokalpolitiker haben Mitte der 1990er Jahre umfassend Entscheidungskompetenzen abgegeben, eine Rahmenvereinbarung ohne Kündigungsmöglichkeit unterzeichnet und so die Einwohner Stuttgarts systematisch von demokratischen Beteiligungsmöglichkeiten ausgeschlossen.
- Die Mehrkosten des Projekts wurden von der Bahn und der CDU-Landes-Regierung bereits im Jahr 2008 vor mehreren Parlamenten verheimlicht. Als die Finanzierungsvereinbarung unterzeichnet wurde, gingen die Parlamentarier von 3,1 Mrd. Euro aus. Die Planungsunterlagen der Bahn gingen zu diesem Zeitpunkt schon von 4,1 Mrd. Euro aus.
Stern
Die Juristen zu Stuttgart 21 erstatteten deswegen Anzeige wegen besonders schweren Betrugs.
(siehe www.juristen-zu-stuttgart21.de/presse.html)
- Die Rentabilität der Neubaustrecke Stuttgart-Ulm ist umstritten. Unwirtschaftliche Schienenprojekte dürfen laut Bundesverkehrswegeplan jedoch nicht umgesetzt werden.
Süddeutsche Zeitung
- Die Bahn hält sich nicht an ihre eigenen sicherheitstechnischen Vorschriften (z.B. Bahnsteiggefälle, Baubeginn ohne vollständige Planfeststellung oder Brandschutzkonzept)
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„Dieter Reicherter, Richter a.D. bemängelt: „Die Waagschale der Justiz ist aus dem Gleichgewicht geraten. Es darf in einem Rechtsstaat nicht sein, dass die S21-Gegner, die auf ein Unrecht hinweisen, härter bestraft werden als die Projektbetreiber, die das Unrecht zu verantworten haben. Beim Projekt Stuttgart 21 gibt es viele Hinweise auf Rechtsbrüche (siehe Seite 2), für die sich bisher niemand verantworten musste.“
Das ist der entscheidende Satz. Ziviler Ungehorsam kann sich immer nur konstruktiv gegen fortgesetztes nicht hinnehmbares Unrecht richten.
Guten Morgen,
aufgrund der unendlich vielen Ungesetzesmäßigkeiten,Unrecht, Lügen, Fälschungen (Stresstest) die die DB in der Vergangenheit begangen hat und weiterhin tun wird, verstehe ich nicht, warum die entscheidenen Herren und Damen von der DB AG und Politik endlich vor den Richter müssen und aus dem Amt scheiden müssen ?
Warum werden die Klagen bei verschiedenen Gerichten der Juristen gegen S21..Klagen von Eberhardt von Loeper, Stuttgarter Netz AG weder ernst genommen,noch von den Gerichten im Eilverfahren korrekt bearbeitet, damit der Unsinn endlich ein Ende nimmt und ein schönes Stuttgart, zwar mit einem grossen Verlust an unseren schönen alten Bäumen, doch mit einem obenliegenden modernisierten „Bonatz“ Bahnhof K21 entstehen kann ?
Der Schwachsinn pur von S21, der von offensichtlich unzurechnungsfähigen Politikern im Wengerter-Häusle unter dem Einfluss von Stuttgart Rotwein „ersonnen“ wurde, muss endlich gestoppt werden.
„Ich habe meinen Protest in dieser Nacht entschlossen und friedlich zum Ausdruck gebracht und gegen die unnötigen Baumfällungen und das illegale Treiben der S21-Projektträger protestiert. Wie man sieht, haben sich unsere Warnungen bestätigt: Der Schlossgarten wurde zerstört, aber die Bahn kann den unterirdischen Bahnhof aufgrund der geologischen Risiken und mangels Brandschutz-Konzept gar nicht bauen.“
Lieber Dominik, für Deinen Einsatz ist Dir die ganze Natur sehr dankbar und verneigt sich vor Dir und auch ich danke Dir für Deinen Einsatz. Und die Gesamtschau der Dinge belegt Deine Unschuld zu 100%, ja weist die Schuld auf die untätigen Richter, die meinen hier zugreifen zu müssen! Aber eine Gesamtschau juckt die Justiz nicht, sondern sie hängt sich bzw. Dich an der „Tat“ auf.
Aber auch wenn man die Dinge so betrachtet, wie sie die Rechtsprechung betrachtet, muss man feststellen: dieses Urteil ist ein politisches Willkürurteil und gehört in der nächsten Instanz kassiert. Die Höhe der Strafe belegt daher hier nur die böse Absicht des Gerichts.
Bei jedem Gewalttäter zeigt die Rechtsprechung mehr Einfühlungsvermögen durch Berücksichtigung des sozialen Settings. Hier wurde passiv Widerstand gegen eine belegbare Unrechtssituation geleistet und der für diese Situation geforderte bürgerliche und zu recht geleistete Protest bestraft. Ich würde damit bis vor das BVerfG gehen, in welcher Form die hier eine Nötigung und/oder gar eine Gewaltanwendung und damit einen Straftatbestand erfüllt sehen. Urteile dieser Instanz zur Unterbindung von Zivilcourage wie hier von unserem Dominik gezeigt hätten dann besonderen Unterhaltungswert.
Ich kenne das Urteil des Amtsgerichtes Stuttgart in dieser sache nicht im Wortlaut, meine das aber in etwa vom Ergebnis her einschätzen zu können. Dass das Gericht es sich mit seinem Urteil etwas sehr einfach gemacht hat kann es hier selber nachlesen: Hier
Wir dürfen nach allen Erfahrungen annehmen, dass diese „Einfacheit“ richterlich so gewollt war. Der Richter darf zwar, aber ich möchte nicht in so einer Haut stecken. Wenn ich den politischen Auftrag erhalten hätte, so zu handeln wie er Recht gesprochen hat würde ich anstatt einer erbärmlichen Beamtenkarriere dann doch lieber Sozialhilfe bevorzugen und anständig oben bleiben. Cheers.