Die Parkschützer und viele prominente Unterstützer hatten am 30.12.2011 einen offenen Brief zu Neujahr an Ministerpräsident Kretschmann geschrieben.
Darauf hatte der Ministerpräsident am 25. Januar 2012 ausführlich geantwortet (PDF-Datei).
Heute schicken die Unterzeichner des ersten offenen Briefs ihre Antwort an den grünen Ministerpräsidenten, siehe unten. Sie listen darin fünf konkrete Punkte auf, die beim Thema Stuttgart 21 im Machtbereich des Ministerpräsidenten liegen und die er sofort umsetzen kann, wenn er das Wort "kritisch" im Begriff "kritisch-konstruktive Begleitung" ernst nimmt.
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Kretschmann,
wir möchten uns ganz ausdrücklich bedanken, dass Sie sich die Mühe gemacht haben, auf unseren Neujahrsbrief zu antworten. Zugleich möchten wir den Anlass nutzen, Ihnen darzulegen, dass wir eine andere Wahrnehmung Ihrer Amtspflichten von Ihnen erwarten.
Vor jeder weiteren Diskussion ist es jedoch geboten, die technischen Fakten zur Kenntnis zu nehmen: Die Bahn ist nicht in der Lage, den Tunnelbahnhof Stuttgart 21 zu bauen. Stuttgart 21 ist ein potemkinsches Dorf aus bunten Werbeprospekten und nicht gehaltenen, nicht zu haltenden Versprechen. Dass die vielen, seit Jahren mahnenden Kritiker Recht haben, zeigt die nach 15 Jahren immer noch ausstehende Planung für den Flughafenbahnhof, die fortwährenden Korrekturen nach oben bei den Wassermengen, das Unvermögen der Bahn, für essentielle Bauarbeiten Auftragnehmer zu finden und die Planungsmängel, die bei der Erörterung zum Fildertunnel am 30. und 31.1. deutlich wurden.
Geologie und Wasser sind keine Demokraten: Egal welche Mehrheit abstimmt, es wird die Grund- und Mineralwasserverhältnisse im Stuttgarter Talkessel ebenso wenig ändern wie die Geologie der Uhlandshöhe. Was Experten schon lange wissen und sagen, ist inzwischen auch für den Laien unübersehbar: Die Bahn kann nicht bauen. Ein Blick auf die Nordflügel-Brache, die seit über einem Jahr unsere Innenstadt ‚ziert‘, sagt alles.
Wir erwarten von Ihnen, Herr Ministerpräsident, dass Sie die Interessen unseres Landes vertreten und verteidigen, mit allen Ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln. Ganz konkret:
- Lassen Sie den Stresstest-Betrug aufklären!In Ihrem Koalitionsvertrag haben Sie vereinbart: „Die Landesregierung wird für vollständige Transparenz über Prämissen und Ergebnisse des Stresstests sorgen.“ Die Bahn hat beim Stresstest jegliche Transparenz verweigert, und die Nachforschungen von WikiReal zeigen: Die Bahn hat allen Grund, die geforderte Transparenz zu scheuen, denn der Stresstest konnte nur durch Betrug und Taschenspielertricks ‚bestanden‘ werden.Auf WikiReal wurden unter Federführung von Dr. Christoph Engelhardt Regelverstöße, Fehler und Täuschungen im Stresstest der Bahn nachgewiesen und diese auf WikiReal.org dokumentiert. Dem müssen Sie, dem muss das Verkehrsministerium Ihrer Regierung nachgehen. Ein solcher Betrug darf nicht ohne Konsequenzen bleiben!
- Nehmen Sie Ihren ‚Projektpartner‘ Bahn endlich in die Pflicht und setzen Sie durch, dass die Bahn eine aktualisierte Kostenrechnung vorlegt, so wie Sie es in Ihrem Koalitionsvertrag vereinbart haben.Noch am Abend der Volksabstimmung haben Sie selbst in den Tagesthemen gesagt, es muss geklärt sein, wer die Mehrkosten trägt, bevor die Bahn ernsthaft anfängt zu bauen. Genau das müssen Sie jetzt durchsetzen, bevor die Bahn die Verhandlungsposition des Landes mit weiteren Zerstörungen noch schwächer macht. Wie wollen Sie denn durchsetzen, dass die Bahn die Mehrkosten und Risiken des Tunnelprojekts trägt? Wie wollen Sie den Kostendeckel halten, wenn Sie es jetzt nicht schaffen, die Bahn zu bewegen, in einer Lenkungskreissitzung über den tatsächlichen Status des Projekts, über die wahren Kosten und Risiken Auskunft zu geben? Sie müssen die Bahn zwingen, ihren Pflichten gegenüber dem Land nachzukommen, und zwar jetzt!
- Bestehen Sie auf der vollständigen Umsetzung des Schlichterspruchs! Dazu hat sich die Bahn verpflichtet, Sie dürfen nun keine Zugeständnisse machen.Insbesondere heißt es im Schlichterspruch: „Die Bäume im Schloßgarten bleiben erhalten. Es dürfen nur diejenigen Bäume gefällt werden, die ohnehin wegen Krankheiten, Altersschwäche in der nächsten Zeit absterben würden.“ Das muss gelten. Die vorliegenden Gutachten zeigen klar und eindeutig, dass die Bäume, die die Bahn fällen will, weder krank noch altersschwach sind. Wenn Sie, Herr Kretschmann, sich an anderer Stelle auf die Schlichtung berufen, müssen Sie unterbinden, dass die Bahn entgegen Geißlers Spruch Bäume fällt.
- Klären Sie die rechtlichen Bedenken bezüglich der Mischfinanzierung des Projekts.Noch im November 2010 erklärten Sie selbst, dass die Landesregierung keine Gelder an die Bahn zahlen darf, da diese Form der Finanzierung grundgesetzwidrig sei. Diese rechtlichen Bedenken dürfen Sie nicht unter den Tisch kehren, jetzt, da Sie an der Regierung sind. Recht und Gesetz dürfen nicht politischer Opportunität untergeordnet werden!
- Sorgen Sie dafür, dass die Ermittlungen zum 30.9.2010 sowie die anderen Verfahren im Zusammenhang mit dem Bahnprojekt Stuttgart 21 an eine Staatsanwaltschaft außerhalb Stuttgarts übertragen werden, so wie die Rechtsanwälte Mann & Müller es in ihrem Schreiben vom 29.9.2011fordern.Der Stuttgarter Oberstaatsanwalt Häußler war am 30.9. im Schlossgarten und in die Aktivitäten der Polizei eingebunden. Wie der Anwalt Frank Ulrich Mann, der die Schwerverletzten des 30.9. vertritt, ausführt, ist die Stuttgarter Staatsanwaltschaft in dieser Sache nicht unvoreingenommen. Diese Voreingenommenheit zeigt sich in zahlreichen Verfahren, die im Zusammenhang mit Stuttgart 21 stehen. Jeder Verdacht einer Ungleichbehandlung durch die Justiz muss ausgeräumt werden!
Herr Kretschmann, Sie haben sich mit Ihrem Amtseid dem Land Baden-Württemberg gegenüber verpflichtet. Sie haben sich verpflichtet, Ihre Kraft dem Wohle des Volkes zu widmen, seinen Nutzen zu mehren, Schaden von ihm zu wenden, Verfassung und Recht zu wahren und zu verteidigen, Ihre Pflichten gewissenhaft zu erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann zu üben. Es ist nun an Ihnen, diesen Worten Taten folgen zu lassen, denn es gilt: An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Gebhard, Gründer der Parkschützer
Der Parkschützerrat
Matthias von Herrmann, Pressesprecher der Parkschützer
Egon Hopfenzitz, ehem. Vorsteher des Stuttgarter Hauptbahnhofs
Walter Sittler, Schauspieler
Volker Lösch, Regisseur
Werner Sauerborn, Gewerkschafter gegen Stuttgart 21
Dr. Christoph Engelhardt, Analyst und Mitbegründer von WikiReal (schrieb auch eine eigene Antwort an MP Kretschmann)
Rudolf Pfleiderer, Landesnaturschutzverband und Bezirksbeirat in Stuttgart-Weilimdorf
Dr. Carola Eckstein, Mathematikerin, Parkschützer und Ingenieure 22
Wolfgang Kuebart, Diplomphysiker und Entwicklungsingenieur, Ingenieure 22
Martin Poguntke, Theologe gegen S21
P.S.: Wenn Sie Fragen zu einzelnen Punkten haben, erläutern wir Ihnen diese gerne persönlich.
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