Rede von Elke Edelkott bei der 87. Montagsdemo am 15.8.2011
Liebe Freunde und Freundinnen des Kopfbahnhofs,
viele gute Argumente für den Kopfbahnhof und ein S21 – Konzept mit unzählbaren Mängeln und Risiken. Warum also können die S21-Betreiber und -Unterstützer nicht aufhören mit ihrem zerstörerischen und gefährlichen Tun? Was treibt diese Menschen an? Um mich dieser Frage zu nähern, beschäftige ich mich heute mit dem Thema: Den Irrsinn verstehen lernen.
Lange Zeit dachte man, der Mensch würde beim Umgang mit Vermögen und bei der Planung von finanziell relevanten Projekten vernünftig handeln. Dass er dies nicht tut, hat die Wirtschaftspsychologie bewiesen. Es gibt verschiedene irrationale Verhaltensweisen beim Umgang mit Geld. Mehrere dieser irrationalen Phänomene kann man in der Argumentation der Projektbefürworter kennen lernen: Eines davon ist die Selbstüberschätzung, ein anderes die Argumentation mit versenktem Geld.
Sie alle haben tausendmal gehört, wie viel Geld schon in Stuttgart 21 investiert wurde, dass die Ausstiegskosten hoch wären. All dies ist versenktes Geld und dieses versenkte Geld wird uns als Argument dafür verkauft, das Projekt fortzusetzen. Wenn Sie so ein Argument hören, können Sie sicher sein, dass ein finanzielles Desaster droht.
Natürlich hat jeder Mensch das Bedürfnis Projekte positiv abzuschließen. Gefährlich wird das, wenn in ein aussichtsloses Projekt bereits viel investiert wurde.
Stellen Sie sich vor, Sie haben ein altes Auto, fast schon Schrott, das Sie gerade für mehrere 100 € haben reparieren lassen. Wenig später ist es wieder kaputt. Die nächste Reparatur soll noch teurer werden. Wenn Sie diese Reparatur nicht machen lassen, sind Hunderte von €, die sie für die erste Reparatur bezahlt haben, versenkt. Wenn Sie Ihr Auto deshalb reparieren lassen, haben Sie am Ende einen immensen Betrag in ein Auto investiert, dass trotzdem wenig später auf dem Schrottplatz landet.
Auch beim Projekt Stuttgart 21 ist viel Geld investiert worden. Geld für Planungen, Geld, um die Bahn bei der Stange zu halten, Geld für Projektsprecher, Werbung etc. Und ganz nebenbei ist auch viel Image investiert worden. Politiker haben Stuttgart 21 vor laufenden Kameras gelobt, K21-Befürworter wurden als Idioten oder Radikale beschimpft. All dies macht einen Projektabbruch und damit vernünftiges Verhalten sehr schwer.
Und das obwohl nach der Schlichtung und dem desaströsen Stresstest allen, die zugehört haben, klar sein muss, dass Stuttgart 21 eine grandiose Fehlplanung ist. Es würde bei immensen Kosten zu einem schlechteren Bahnhof führen, als wir ihn heute haben. Beim Bau könnten die Mineralquellen zerstört werden und nach dem Bau wären durch fehlende Fluchtwege und abschüssige Bahnsteige Menschenleben gefährdet.
Dennoch soll weiter in Stuttgart 21 investiert werden, genau wie in ein Schrottauto durch die nächste Reparatur.
Wenn wir den Effekt, den bereits investiertes Geld hat, verstehen, wird klar, warum unsere Argumente gegen Stuttgart 21 nicht sofort zum Stopp des Projekts führen, sondern zu immer heftigeren Investitionsbemühungen und weiteren Auftragsvergaben. In der Wirtschaftspsychologie nennt man diesen Effekt den Sunk-Cost-Effekt, den Effekt des versenkten Geldes.
Die Bahn versucht, unterstützt von der Politik, auch bei den Bürgern und Bürgerinnen diesen Effekt zu erzeugen. Sie tut dies durch die Betonung der hohen Ausstiegskosten. Immer wieder hört man, wie viel schon investiert wurde. Und dies wird als Grund dafür genannt, das Projekt weiterzubauen. Selbst bei der Volksabstimmung wollen die Projektbefürworter genau mit diesem Argument für eine Verschwendung weiterer Mittel werben.
Tatsächlich gehören die bereits investierten Gelder jedoch vernünftigerweise nicht zu entscheidungsrelevanten Kosten, wenn ein Projekt im Projektverlauf noch einmal auf den Prüfstand kommt. Diese Kosten werden in der Wirtschaft nicht berücksichtigt, wenn eine vernünftige Entscheidung und damit die beste Lösung gesucht wird. Denn ein Projekt wird nicht gut, weil in der Vergangenheit viel in seine Entwicklung investiert wurde. Ein Projekt ist gut, wenn es in der Zukunft positive Folgen hat.
Versenkte Gelder und Ausstiegskosten dürfen deshalb keine Rolle bei der Entscheidung über den Ausstieg aus Stuttgart 21 spielen.
Die Unfähigkeit, den Moment für den Ausstieg zu finden, hat schon viele in den Ruin getrieben. Leider ist es jedoch hier unser Steuergeld, das in den Sand gesetzt wird, unsere Stadt, die zerstört wird. Und es sind gesellschaftliche Werte wie Ehrlichkeit, Gerechtigkeit und Offenheit verletzt worden und werden weiter verletzt. Wir kommen deshalb nicht umhin, den Projektbetreibern beim Ausstieg zu helfen. Dazu gibt es zwei Wege:
1. Die Alternativen zu zeigen und
2. die Risiken sichtbar zu machen.
Was wir bisher dazu getan haben war richtig und erfolgreich. Das desaströse Projekt Stuttgart 21 steht in Frage. Selbst Fachleute, die es im Auftrag der Bahn geprüft haben, machen inzwischen Alternativvorschläge.
Wichtig ist es deshalb, weiter über die beste Alternative K21 zu informieren: an der Mahnwache, in Gesprächen, bei Informations-veranstaltungen, im Internet etc.. Die nächste Demo für K 21 findet nächste Woche am Freitag, 26. August statt, ein Jahr nach dem Beginn vom Abriss des Nordflügels.
Wir haben auf viele Risiken von Stuttgart 21 aufmerksam gemacht und wir werden es weiter tun. Hani Azer, ehemaliger Projektleiter von Stuttgart 21, nennt in seiner Liste der 121 Risiken auch das „Risiko aufgrund von erhöhten Sicherungsanforderungen durch Protestbewegungen im Bereich Stuttgart“. Als Beispiel führt er die friedlichen Proteste bei den Baumfällungen an.
Es ist wichtig, dass wir diesen friedlichen Protest fortsetzen, Freunde und Verwandte mitbringen, zu Demos und zu Aktionen zivilen Ungehorsams. Morgen früh um 6.00 Uhr findet z.B. wieder ein Frühstück am Bauzaun des sogenannten Grundwassermanagements statt, zu dem viele friedliche S21-Gegner erwartet werden. Lassen Sie uns, jede und jeder wie es persönlich möglich ist, weiter dazu beitragen, den Irrsinn zu beenden. beenden.
Oben bleiben!
Danke für diese Rede, Elke.
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Auch ich war beeindruckt von der Rede. Der Aspekt, daß je mehr Geld für dieses unsinnige Projekt S21 ausgegeben wird, der Druck steigt, noch mehr Geld dem schlechten hinterherzuwerfen, ist sicher bedenkenswert. Ein für mich noch viel zentralerer Punkt blieb leider unerwähnt. Nicht nur, daß die Bahn mit Steuergeld um sich wirft, sie ist -wie Karl-Dieter Bodack ausführt- prozentual an der Bausumme beteiligt. Die Bahn ist Bauherrin, sie plant, macht Ausschreibungen und koordiniert. Dafür kassiert sie etwa ein Fünftel der Bausumme (Werte zwischen 17 und über 20% habe ich gefunden, das scheint zu variieren). Je mehr Geld ausgegeben wird, desto höher steigt der Anteil der Bahn (und wahrscheinlich auch die Boni des Bahn-Managements!). Die Bahn muß sich ihre Bauprojekte vom Eisenbahn-Bundesamt (EBA) genehmigen lassen und liefert dafür eine (geschönte) Kostenschätzung ab. Sobald ein Projekt aber mal abgenickt ist, dann ist es eine Gelddruckmaschine für die DB. Und die Erfahrung hat gezeigt, daß Bahnprojekte in aller Regel doppelt so teuer (oder mehr) werden als ursprünglich veranschlagt. Da wird S21 keine Ausnahme sein.
Man fragt sich, wie die Bahn jetzt weiterbauen kann, trotz all der Fakten, die auf dem Tisch liegen, all dem Widerstand, der ihr entgegenschlägt, der fehlenden Planfeststellungen, usw. Im Grunde ist S21 dem Tod geweiht, es ist leider nur keiner da, der die Maschinen abstellt und dem Patienten ein „würdiges“ Sterben ermöglicht. Ich könnte mir sogar denken, daß die Bahn selbst nicht mehr damit rechnet, S21 noch fertigstellen zu können. Deswegen werden jetzt hektisch Millionenaufträge vergeben nach dem Motto „was wir haben, haben wir“ und „nach uns die Sintflut“. Auch wenn am Ende ein ruiniertes Stuttgart zurückgelassen wird. Im Grunde wäre es Aufgabe des Verkehrsministers, unsere Interessen zu vertreten und diesem Treiben der Bahn über das EBA ein Ende zu setzen. In diesem Sinne ist Herr Ramsauer für mich ein ärgerlicher Total-Ausfall. Einmal mehr: Die Regierung schützt uns nicht! Deshalb müssen wir halt selber weiter dranbleiben, nur jetzt nicht nachlassen! Oben bleiben!!!
Stimmt und es wird immer wiederholt, dass die Bahn ein privatwirtschaftliches Unternahmen wäre!Dem entsprechend hat sie auch das Risiko und die Kosten der Planung zutragen!Wer mit falschen Zahlen einen Auftrag erschwindelt muß damit rechnen, daß der Auftraggeber aussteigt!Um beim Auto zubleiben.Wenn sich während der Reparatur herausstellt.Das kaputte Teil kostet das doppelte als der Fahrzeugwert würde man auch sagen zum Schrott damit.So wie mit S21 deshalb Oben bleiben!